Neonazis marschieren
am Reichstag auf

Demo Rund 3.000 Rechte zogen am Samstag durch das Regierungsviertel – viel mehr als erwartet

Das waren doch mehr als erwartet: Eine Demonstration von etwa 3.000 Rechtsextremen und Rechtspopulisten ist am Samstag vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor gezogen. Rund um das Regierungsviertel skandierten sie Parolen wie „Kriminelle Ausländer raus“ und „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“. Der Protest richtete sich auch gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik. An der Spitze des Zuges prangte ein riesiges Banner mit der Aufschrift „Merkel muss weg!“.

Dass die Rechte in der Hauptstadt so viele Sympathisanten mobilisieren kann, war für viele eine Überraschung. Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte nur mit einigen Hundert Teilnehmern gerechnet. Der Aufruf erfolgte vor allem über die sozialen Netzwerke. Die Gruppe namens „Wir für Berlin & Wir für Deutschland“ hatte zu der „Volksdemo“ eingeladen. Zum Anmelder machten die Behörden keine Angaben, da es sich um eine Privatperson handele.

Die Polizei begleitete den rechten Aufmarsch mit einem Großaufgebot. Wer zur Auftakt­kundgebung auf den Bahnhofsvorplatz wollte, wurde nach Waffen und gefährlichen Gegenständen durchsucht. Am frühen Nachmittag hatte sich dort ein Mix aus Neonazis, Rockern und besorgten Bürgern zusammengefunden. Neben zahlreichen Deutschlandfahnen waren auch die Farben der Reichsflagge und das Zeichen der Identitären Bewegung zu sehen.

Als Redner war unter anderem der rechtsextreme Politiker Ignaz Bearth angereist. Der Schweizer forderte die Schließung der europäischen Grenzen. „Wir wollen keine Islamisierung Europas“, sagte er, ohne konkret über Geflüchtete zu sprechen. Die deutschen Regierungsvertreter bezeichnete er als „Volksverräter“. Die Zuhörer bekundeten mit „Wir sind das Volk“-Rufen ihre Zustimmung.

Auf ihrem Marsch trafen die Demonstranten auf mehrere Gegenkundgebungen. Insgesamt nahmen daran etwa 1.000 Menschen teil. Beide Lager waren oft nur durch wenige Meter Absperrung voneinander getrennt. Es kam zu Beleidigungen und vereinzelten Rangeleien. Noch vor dem Eintreffen der Demo wurde eine Gruppe von etwa 200 Menschen von der Polizei daran gehindert, die Route der Rechten zu blockieren. Insgesamt wurden 32 Personen vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Ein Gewaltausbruch, wie ihn Köln bei der Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ vor anderthalb Jahren erlebt hatte, blieb Berlin aber erspart. Die Polizei sprach von einem „weitgehend störungsfreien“ Verlauf. Im Vorfeld hatte die Angst vor einem wütenden Mob auch das rechte Lager aufgewühlt. Die AfD rief ihre Anhänger vorsorglich dazu auf, der Demo fernzubleiben. „Es wäre fatal, wenn es dort plötzlich zu gewalttätigen Ausschreitungen käme und irgendwo AfD-Fahnen auftauchten. Und das am Tag vor den für uns so wichtigen Landtagswahlen!“ Ihre Distanzierung schien man der Partei aber nicht übel zu nehmen. Redner Bearth rief dazu auf, am nächsten Tag für die Rechtspopulisten zu stimmen.

Francis Laugstien