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THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Wir sind Sommergäste in unserem Land. Zugereiste!“, sagt Warja. „Wir sind ausschließlich damit beschäftigt, einen bequemen Platz im Leben zu suchen!“ Warja gehört zu einer Gruppe von depressiv gestimmten Mittelständlern, die der Dichter Maxim Gorki im Stück "Somergäste" Anfang des 20. Jahrhunderts in einer russischen Datsche versammelt hat: Rechtsanwälte, Ärzte, ein Dichter ist auch dabei – und sie lamentieren desorientiert über ihr Dasein in einer Zeit des Umbruchs. Bei Gorki dräut am historischen Horizont schon die Russische Revolution mit ihrer Sozialutopie einer klassenlosen Gesellschaft. Die ist inzwischen zwar erst mal passé – es ist dumm gelaufen mit dieser Utopie. Doch das mittelständische Bürgertum lamentiert immer noch. Hat immer noch Angst. Beziehungsweise schon wieder. Das Stück passt auch perfekt in unser bedrohtes Bionade-Biedermeier. In seinem Epizentrum Prenzlauer Berg hat sich nun die Schauspielerin und Regisseurin Silvia Rieger das Stück wieder vorgenommen, in der Volksbühne, genauer gesagt: als Koproduktion mit der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ (Volksbühne: Sommergäste, Premiere 15. März, 20 Uhr).

Zu den durchaus berechtigten Sorgen, die sich Mittelständler machen, gehört die Sorge um bezahlbaren Wohnraum. Gentrification und Spekulation machen es immer schwerer, an bezahlbare Wohnungen zu kommen. Das Projekt „House of Hope“, am 9. März im Theaterdiscounter gestartet, versteht sich als Gegenbewegung dazu. „Wohnen ist Menschenrecht“ hat sich die Performancegruppe post theater auf die Fahnen geschrieben, die nun ihre Fantasien über das Wohnen der Zukunft präsentiert. Ihr Dokumentartheaterstück entwirft im Gebäude in der Klosterstraße, das den Theaterdicounter beherbergt, ein Wohnturm der Superlative als Heimat für alle Bevölkerungsgruppen. Auf einem begehbaren Spielfeld will das post theater Fakten und Fiktionen zur Wohnungsfrage ausbreiten – und verspricht einen Theaterabend zwischen Videokunst und Performance mit viel Spekulation über Immobilienhype und Wohnwelten (Theaterdiscounter: House of Hope, 10.–12. März, jeweils 20 Uhr).

Antonia Baums Buch hat den schönen Titel „Ich wuchs auf einem Schrottplatz auf, und lernte mich von Radkappen zu ernähren“. Als das Buch im Frühjahr 2015 erschien, fand der Spiegel, es lese sich wie ein Rap auf Romanlänge. Der Tagesspiegel hingegen rief händeringend nach einem Lektor. Ins Theater hat der Stoff nun auch gefunden: Anja Behrens inszeniert und SØS Gunver Ryberg macht die Musik dazu (Deutsches Theater, Premiere 13. März, 19.30 Uhr).

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