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Die Kinder des Herrn Brückling

BESCHWINGT Ansgar Ahlers’musikalische Komödie „Bach in Brazil“ entstand unter anderem im Bückeburger Schloss. Ehe der Film kommende Woche anläuft, gibt es vorab eine Premiere in Hannover

von Wilfried Hippen

Es gibt Filme, die handwerklich eher mangelhaft gebaut sind – aber das Publikum liebt sie. So waren sich, auf den letzten Filmfestivals in Emden und Biberach, die meisten Akkreditierten und Kritiker über eines einig: „Bach in Brazil“ sei kein guter Film. Gleichwohl gewann er in Emden den Publikumspreis, in Biberach war er gar gefeierter Eröffnungsfilm, bei dem vielen ZuschauerInnen Tränen der Rührung in die Augen traten.

Regisseur Ansgar Ahlers muss also etwas richtig gemacht haben. Dabei ist der Humor des Films eher handfest, und die Figuren sind wandelnde Klischees: Brasilianische Straßenkinder sind durchweg bester Laune und warten nur darauf, dass ein Musiklehrer aus Deutschland – so penibel wie verschroben – für die europäische Barockmusik begeistert.Auch die Spielorte sind wie für Postkarten geschönt, was im Fall des Schlosses im niedersächsischen Bückeburg noch angehen mag – aber problematisch wird, wenn es gilt, brasilianische Favelas in Szene zu setzen. Die Geschichte schließlich ist vorhersehbar und es besteht ein deutliches Gefälle zwischen dem deutschen Darstellerensemble und den brasilianischen Laien.

Aber als „feel good movie“, als Wohlfühlfilm also funktioniert „Bach in Brazil“ – was auch daran liegen mag, dass Filme über die inspirierende Wirkung von Musik im Kino gerade sehr beliebt sind. Fast kann man von einem Sub-Genre sprechen, in das sich „Bach in Brazil“ dann einreihen lässt, neben Publikumserfolgen wie „Die Kinder des Monsieur Mathieu“ und „Wie im Himmel“. Die Komödie handelt, es deutete sich oben an, von dem Musiklehrer Marten Brückling (Edgar Selge), der auf seinem Lieblingsinstrument, dem Euphonium, mit Hingabe die Stücke Johann Sebastian Bachs interpretiert. Er möchte gerne auf einem deutschen Festival auftreten, aber dessen künstlerischer Leiter hält Brücklings Vortrag für zu altmodisch.

Als er von einem ehemaligen Kollegen, der einst nach Südamerika auswanderte, ein Manuskript mit Bach’schen Originalnoten überlassen bekommt, reist Brückling nach Brasilien. Dort überfallen ihn prompt Straßenkinder – das wertvolle Stück Papier ist dahin. Auf der Suche nach der Antiquität lernt der deutsche Lehrer eine Gruppe von Kindern kennen, die in einer Art Anstalt inhaftiert sind. Mit ihnen beginnt er, Musik von Bach einzuüben, und das gelingt so gut, dass die Gruppe schließlich gemeinsam nach Deutschland fährt und einen triumphalen Erfolg feiern kann – genau auf jenem Festival, das Brückling abgewiesen hatte.

Der in Aschendorf bei Papenburg aufgewachsene Ansgar Ahlers hat über Jahre an diesem Stoff gearbeitet und schließlich sowohl das Drehbuch geschrieben als auch Regie geführt – sein erster Langfilm. Auf die Idee kam er während der Arbeit an einem Dokumentarfilm in Brasilien: Er hörte vom Erfolg dortiger Chöre und bemerkte, wie präsent Bachs Musik im heutigen Brasilien noch ist. Bach-Sohn Johann Christian war ja sogar selbst mal in Südamerika.

Mit der barocken Altstadt von Ouro Preto, die zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, hat Ahlers einen atmosphärisch reichen Drehort gefunden, der im Kino nicht so allgegenwärtig ist wie beispielsweise Rio de Janeiro. Wie auch das Schloss von Bückeburg nutzt Ahlers den Originaldrehort als malerische und exotische Kulisse. Das ist natürlich der Blick eines Touristen, aber Ahlers hat auch gar nicht den Anspruch, etwa ein realistisches Bild vom Leben jugendlicher Straftäter in Brasilien zu zeichnen. Stattdessen durchzieht den Film etwas Märchenhaftes, was obendrein diverse animierte Szenen unterstreichen – etwa von der Reise der Kinder von Brasilien nach Deutschland.

Auf die Idee kam der Regisseur während der Arbeit an einem Dokumentarfilm

Edgar Selge hat wissen lassen, es sei eine Herausforderung gewesen, diesen skurrilen Marten Brückling eher „breit“ zu spielen als, wie sonst von ihm gewohnt, „tief“: Hier sind keine Nuancen gefragt, sondern deutliche Gesten wenn die Figur sich ständig komisch verzweifelt durch den Film bewegt. Selge meistert auch dies souverän, sein Brückling wirkt berührend in seiner Mischung aus verklemmt, warmherzig und leidenschaftlich, wenn es um die Musik geht. Die Jugendlichen werden von brasilianischen Laien gespielt, die in einigen Szenen ein wenig unbeholfen wirken.

Ebenso wirkungsvoll wie Ahlers hier Sympathien wecken kann, macht er andererseits die Widersacher lächerlich: Peter Lohmeyer spielt den Festspielleiter so hochnäsig und pseudointellektuell, dass es beinahe wirkt wie eine Rache des Schauspielers an den Kulturbürokraten. Die brasilianische Schauspielerin Thaís Garayp scheitert in der Rolle einer gegen Musik allergischen Aufseherin ständig daran, die Jugendlichen vom Proben abzuhalten. Mit rollenden Augen und grimmigen Grimassen wirkt sie dabei wie von einem Slapstickfilm aus der Stummfilmzeit entliehen.

Auch die musikalische Lösung ist schlicht und effektiv: Die brasilianischen Kinder mischen Bachs Kompositionen mit reichlich Samba und begeistern das deutsche Publikum mit temperamentvoller Interpretation auf Trommeln, Gitarre, Akkordeon und Euphonium. Dabei musste Ahlers vor allem im Schnitt mit vielen Tricks arbeiten, um auch nur halbwegs überzeugend den Eindruck zu erwecken, die jungen Darsteller könnten tatsächlich gemeinsam solche Musik machen. Andererseits: Das Finale ist dann so emotional inszeniert – da sieht kaum noch wer genau hin.

Premiere: So, 13. 3., 15.30 Uhr, Astor Grand Cinema, Hannover. Weitere Vorstellung mit etlichen Beteiligten: Di, 15. 3., 18 Uhr, Passage Kino, Hamburg. Ab 17. 3. läuft der Film bundesweit in den Kinos

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