: Das Hinterletzte
Foto-MOB
In der guten alten Zeit, sagen wir mal um die Jahrtausendwende, pfiffen doofe Typen Frauen hinterher. Das war nervig, manchmal eklig. In der heutigen Zeit wird nicht mehr gepfiffen, sondern fotografiert. Das ist nicht mehr nervig, sondern das Hinterletzte. So eine Aktion passierte neulich im Sophienhof, einer Einkaufspassage am Kieler Hauptbahnhof.
Drei Mädchen, 15, 16 und 17 Jahre alt, wurden in einem Lokal von zwei Typen angegafft, angemacht und fotografiert. Die beiden Männer, 19 und 26 Jahre alt, setzten sich zu ihnen an den Tisch, quatschten sie dumm an, machten Gesten. Drumherum standen andere und glotzten, bis ein Mann den Sicherheitsdienst holte, der die Polizei verständigte.
Einige Männer wurden festgenommen, es waren Besoffene darunter, die Beschimpfungen grölten und um sich spuckten. So weit, so unschön – und so normal. Die Schlagzeilen der vergangenen Tage aber lauteten: „Mob von 30 Männern belästigt Mädchen“. Sie werden als „Asylbewerber“ bezeichnet, ihr Herkunftsland genannt. Dabei galt in der guten alten Zeit, sagen wir zur Jahrtausendwende, dass die Nationalität mutmaßlicher Täter in der Berichterstattung nichts zu suchen hat.
Inzwischen sieht es so aus, als habe es den geschlossenen Mob nicht gegeben. Die Leute standen herum und glotzten, wofür man jedem von ihnen eine scheuern sollte – aber die Polizei hält sie nun für „Neugierige“. Zurzeit ermittelt die Polizei, wer die Szenen aufzeichnete. Es ist verboten, andere Leute gegen ihren Willen zu fotografieren. Insofern kann der Rat also ausdrücklich nicht lauten, Kerle, die Frauen mit einer Handykamera belästigen, gnadenlos zurückzufotografieren – und das Ergebnis dann unter #ArschDesMonats zu posten. Est
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