: Erdboden und verseuchter Boden
DIE INI (X) Für eine sichere Gasförderung kämpft die Bürgerinitiative „No Fracking“ in Völkersen
Die Norddeutschen engagieren sich in Bürgerinitiativen gegen Verkehrsprojekte, für Tiere oder gegen Datenmissbrauch – mal laut und knallig, mal leise und beharrlich. Diese Serie stellt in loser Folge die Menschen hinter den Initiativen vor.
Mit feuchtem Boden hat alles im August 2011 angefangen. Aus einer Leitung, durch die Lagerstättenwasser fließt, das bei der Gasgewinnung an die Oberfläche gepumpt wird, tritt Wasser aus und sickert ins Erdreich. Das Wasser enthält hochgiftiges Benzol. Die Leitung zieht sich 22 Kilometer weit um das kleine niedersächsische Dorf Völkersen und fast überall tritt die Giftbrühe aus und verseucht den Boden.
Ein paar Monate später stehen Andreas Noltemeyer und das Ehepaar Thomas und Inge Vogel auf dem Adventsmarkt in Völkersen zusammen. Sie unterhalten sich über den Vorfall, den Glühwein in der Hand und entscheiden, etwas gegen das Energieunternehmen RWE zu unternehmen, das seit Jahren rund um ihr Dorf Erdgas fördert. Sie gründen die Bürgerinitiative „No Fracking“. Fracking steht für eine umstrittene Art der Gasgewinnung, bei der Chemikalien ins Erdreich gepumpt werden.
Anfang 2012 wird bekannt, dass der höchste Benzolwert im Grundwasser bei 39.000 Mikrogramm liegt – erlaubt ist ein Mikrogramm. „RWE hatte uns versichert, die Rohre seien sicher“, sagt Thomas Vogel. Eine Firma, die ebenfalls Rohre dieser Art herstellt, sagt der Initiative jedoch, die Leitungen von RWE seien nicht benzolsicher. Das sei für sie ein „böses Erwachen“ gewesen, erzählt Inge Vogel.
Seit Anfang der 90er Jahre fördern Energieunternehmen Erdgas in Niedersachsen, wo das größten Erdgasvorkommen Europas liegt. „Eigentlich hat das nie jemand in Frage gestellt, wir waren ein wenig stolz“, sagt Inge Vogel. „Aber hier ist vieles nicht sauber gelaufen“, ergänzt Noltemeyer. „Die Informationspolitik von RWE war unter aller Sau.“
Nicht nur das Lagerstättenwasser sieht die Initiative kritisch. RWE hat auch jahrelang ohne Filter Gas verbrannt, Quecksilber wurde beim Verladen verschüttet, Leitungen sind kaputtgegangen. Und im November gab es hier ein Erdbeben – in einer Region ohne seismische Aktivität. Die Häuser in Völkersen wackelten, die Fassaden bröckelten. „Es hat ordentlich gerumst, wir haben die Druckwelle gespürt“, sagt Thomas Vogel.
„Es ist nicht einfach, sich Gehör zu verschaffen“, sagt Vogel. Die Entscheidungsträger schotteten sich ab. „Aber jedes Mal, wenn wir das Gefühl haben, nix mehr tun zu können, kommt sowas wie dieses Erdbeben“, sagt Noltemeyer. Seit einem Jahr gibt es die Initiative mit ihren knapp 25 Mitgliedern jetzt. Es gab Demonstrationen, Podiumsdiskussionen, Infoveranstaltungen. Manchmal wünscht Noltemeyer sich sein altes Leben zurück: „Doch ich lerne damit umzugehen, keine Freizeit zu haben.“
Inge Vogel sagt, dass es in einer Initiative das Wichtigste sei, ein angenehmes Klima zu schaffen und sich gegenseitig immer wieder anzuspornen, niemanden in den Vordergrund zu rücken, sondern als Team zu agieren. „Wir Völkser müssen gemeinsam verhindern, was wir verhindern können.“ AMA