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Die Konkurrenz im Haus

Presselandschaft Die Krise bei den Printmedien kennt man auch bei „Zitty“ und „Tip“. Jetzt ist man bei den beiden Stadtmagazinen ganz eng zusammengerückt, um dem Auflagen- und Bedeutungsschwund mit einer vereinten Redaktion zu trotzen

Den Kaffee zum Gehen. Und am besten dazu heldenhaft ein Stadtmagazin mitnehmen, für die „gute Laune“ jetzt bei Go City Media Foto: F.: Paul Langrock/Zenit

von Andreas Hartmann

Es ist alles ganz frisch, man beschnuppert sich noch, aber „erste Freundschaften wurden bereits geschlossen“, erklärt ein Redakteur, der sich auch erst daran gewöhnen muss, dass er nun nicht mehr nur für das Stadtmagazin Tip, sondern auch für die Zitty zuständig ist.

Nachdem Ende 2013 erst der Tip vom Berliner Verlag an den Raufeld-Verlag und kurz darauf auch die Zitty vom Holtzbrinck-Verlag an dasselbe Unternehmen verkauft wurde, war es mit der Konkurrenz der beiden Magazine zwar bereits weitgehend vorbei, aber man unterhielt immerhin noch weiter zwei verschiedene Redaktionen. Seit Anfang dieses Jahres hat sich Raufeld aus Zitty und Tip zurückgezogen und ist nur mehr mit 25 Prozent an dem neuen Verlagskonstrukt Go City Media beteiligt, das nun die Magazine unter einem Dach herausgibt und beide Titel von einer einzigen Redaktion betreuen lässt.

Eine Ära ist damit zu Ende gegangen. Beide großen Berliner Stadtmagazine wurden in den Siebzigern gegründet und von unabhängigen Verlagen herausgebracht. Tip oder Zitty, das war eine wichtige Frage für viele Berliner. Der Tip galt immer als ein wenig mainstreamiger als die politisch linksdrehende und stärker in der Alternativkultur verwurzelte Zitty. Wer welches der beiden Stadtmagazine auf seinem Gästeklo liegen hatte, machte damit immer auch ein wenig eine Aussage über seine eigene politische Gesinnung. “Zitty oder Tip“, sagt Stefan Tillmann, einer der drei Chefredakteure der beiden Stadtmagazine und zugleich zweiter Geschäftsführer, „das ist auch heute noch für viele wie Rolling Stones oder die Beatles.“

Frage der Hauptstadtzeitung

In den späten Neunzigern kaufte der Berliner Verlag den Tip und Holtzbrinck die Zitty. Es war die Zeit, in der die Berliner Zeitung des Berliner Verlags und der Tagesspiegel von Holtzbrinck noch glaubten, sie müssten um den Titel „Hauptstadtzeitung“ kämpfen. Die ewige Konkurrenz von Zitty und Tip wirkte da wie ein Stellvertreterkrieg der beiden Zeitungen und ihrer jeweiligen Verlage.

Auf derartige Auseinandersetzungen hat in der Berliner Presselandschaft heute niemand mehr Lust. Zu deprimierend ist der kontinuierliche Auflagenschwund der Zeitungen. Auch die beiden großen Stadtzeitungen wurden durch die anhaltende Krise auf dem Printmarkt so heruntergewirtschaftet, dass aus dem alten Konkurrenzkampf ein maues Scharmützel wurde. Ende der Neunziger lag die Auflage des Tip noch bei 75.000, die Zitty verkaufte im gleichen Halbmonatsrhythmus circa 5.000 Exemplare weniger. Heute liegt der Tip bei etwas über 30.000 verkauften Exemplaren alle zwei Wochen, die Zitty bei 26.000, wobei Letztere seit Juni des vergangenen Jahres wöchentlich erscheint.

Es gab Zeiten, da war ein Leben in Berlin ohne Stadtmagazin nur schwer vorstellbar. Egal, für was man sich interessierte, ob Kino, Oper, Rock- oder Klezmerkonzert, Flohmarkt oder Stadtteilfest, Zitty und Tip hatten alle Infos zu so gut wie jeder Veranstaltung in Berlin parat. Die beiden Magazine gehörten zum Leben in Berlin einfach dazu, dicke Hefte waren das, die einem alle zwei Wochen verdeutlichten, in was für einer pulsierenden Stadt man lebte und was man Tag für Tag erleben könnte, wenn man denn genügend Zeit für all die Ausgeh­angebote hätte.

Diese Bedeutung haben die beiden großen Stadtmagazine längst nicht mehr. Der Grund für diesen Niedergang lässt sich erst mal mit einem Wort benennen: Internet. Wer heute frisch nach Berlin kommt, denkt nicht, dass er sich erst mal eine Zitty oder den Tip kaufen muss als Eintrittskarte ins prallvolle Berliner Leben, sondern er fährt den Rechner hoch und folgt Empfehlungen in den sozialen Netzwerken.

Magazine der Hauptstadt

Tip:Erschien erstmals am 9. Januar 1972, hat eine verkaufte Auflage von etwas über 30.000 Exemplaren und erscheint mittwochs alle 14 Tage. Seit 1999 stellt das Magazin jedes Jahr eine „Liste der 100 peinlichsten Berliner“ zusammen.

Zitty:Am 23. März 1977 erschien die Erstauflage. Das Magazin hat eine verkaufte Auflage von 26.000 Exemplaren, erscheint jeden Mittwoch und verstand sich zu Beginn als Zeitschrift für alternative Kultur.

Siegessäule: Ist ein queeres Stadtmagazin, das seit April 1984 erscheint. Das Heft mit einer 55.000er-Auflage gibt es in Berlin und Potsdam gratis und es hat sich um die frühe Information über Aids verdient gemacht.

Exberliner: Ist ein englischsprachiges Magazin, das 2002 gegründet wurde. Es hat eine Auflage von 20.000 Exemplaren und erscheint monatlich.

Das All-in-one-Konzept der Stadtmagazine hat sich einfach ein wenig überlebt. Zu Mode, Res­taurants und Partys haben sie immer noch etwas zu sagen, doch immer mehr Berliner fühlen sich auf den diversen Mode- oder Foodblogs mindestens genauso gut informiert, und echte Partypeople lassen sich sowieso lieber über das Forum „Restrealität“ Clubevents in der Stadt empfehlen als von Zitty oder Tip, die zudem noch nie wirklich den Ruf hatten zu wissen, was gerade tatsächlich hip ist in Berlin.

Von allen Seiten bekommen die etablierten Stadtmagazine inzwischen Konkurrenz. Die Berliner Tageszeitungen haben in den letzten Jahren ihren Programmteil massiv ausgebaut, der Exberliner hat sich als Stadtmagazin für die nicht unerhebliche Gruppe der englischsprachigen Ex-Pats in Berlin etabliert, dazu kommen Kiezblätter wie die Prenzlauer Berg Nachrichten, und auch das Onlinemagazin Mit Vergnügen ist inzwischen ziemlich erfolgreich darin, sich im Netz für Berlin zu behaupten. Der Prinz, ehemals selbst eine Printalternative zu Zitty oder Tip, mischt auch noch mit, wenngleich seit mehreren Jahren nur mehr als Netzmagazin.

Zitty und Tip haben in den letzten Jahren einfach zu träge auf all diese Entwicklungen reagiert. Man hat mal den Filmindex von hinten nach weiter vorne ins Blatt geholt, der Tip hat die Restaurantkritiken ausgebaut, die Zitty ihr Profil als kiez­orientiertes Magazin geschärft, aber im Wesentlichen wurden keine ernstzunehmende Strategie entwickelt, um gegen den eigenen Bedeutungsverlust anzugehen.

Was jedoch auch daran liegt, dass man nicht so recht weiß, wie ein funktionierendes Stadtmagazin für Berlin heute wirklich auszusehen hat. Man muss mehr in Richtung Internetpräsenz gehen, das ist klar. Gleichzeitig zeigt aber das queere Monatsmagazin Siegessäule, das das schwul-lesbische Leben in Berlin fokussiert, dass auch mit Print noch etwas zu holen ist. Die Zeitschrift hat eine Auflage von 55.000, ist Monat für Monat auffallend gut mit Anzeigen bestückt, und sie gibt es gratis. So geht es also auch.

Klar ist bei Zitty und Tip jetzt nur eines: Es muss sich etwas ändern. Man hat sich deswegen völlig neu aufgestellt, einen Verlag gegründet, alles noch einmal auf Neustart programmiert. Auch wenn jetzt nur noch eine Redaktion zwei Magazine bespielt, sollen deren Profile nicht verwässert, sondern gestärkt werden, versichert Stefan Tillmann. Die Zitty soll politisch scharf bleiben wie bisher, und dank längerer Geschichten und Reportagen will man aus ihr so etwas wie eine Wochenzeitung mit angeschlossenem Programmteil machen, erklärt er, während der Tip stark auf den Feldern Kino, Kultur und Gastro bleiben soll.

Geschäftsmodell Berlin

Viel wichtiger aber ist der folgende Satz von Tillmann: „Wir wollen uns frei machen von der Idee, unser Geschäftsmodell seien die Stadtmagazine. Unser Geschäftsmodell ist Berlin.“ Und er fügt hinzu: „Die Stadt wächst, und wir haben zwei Marken, die eine enorme Glaubwürdigkeit haben.“ Was er damit genau meint, wird klarer, wenn man ein wenig auf Go.Berlin herumsurft, einer interaktiven Stadtkarte, einer Art Google-Maps für Berlin, das Go City Media als nächsten großen Schritt begreift, sich von den Printtiteln stärker hin in Richtung Internet zu bewegen. Es ist der Versuch, den Content der Printtitel nur noch als Vehikel für ein Onlineprodukt zu begreifen, das sich voll und ganz auf Berlin konzentriert.

Hoffnungsvoller Blick in die Zukunft: Die Stadt wächst, und wir haben zwei Marken, die eine enorme Glaub­würdigkeit habenStefan Tillmann, Chefredakteur bei „Zitty“ und „Tip“

Leicht wird der Weg in eine ziemlich ungewisse Zukunft für Zitty und Tip nicht. Die Frage bleibt, ob der neu eingeschlagene wirklich der richtige ist.

Hinter Tillmann steht eine Tafel, auf die alles Mögliche gekritzelt wurde. Ergebnisse eines Brainstormings seien das, so Tillmann. Um „neue Kanäle“ geht es da, als Beispiele werden CDs, Comics, Partys oder Bücher genannt, die in Kooperation mit Zitty oder Tip produziert werden könnten. Und um „neue Formate“, also etwa Kinderbücher oder auch ein Kiezquartett aus dem Hause Go City Media.

Richtig neu sind derartige Ideen nicht. Zeitungen haben es bereits mit DVD-Editionen versucht, und auch die taz verkauft unter ihrem Namen alles Mögliche vom Kaffee bis hin zur Thermoskanne, durchaus erfolgreich.

Das Problem daran ist nur, dass man, um wirklich erfolgreich „neue Kanäle“ und „neue Formate“ an sich zu binden, tatsächlich die eigene Marke schärfen muss. Ob dafür die Zusammenlegung zweier Redaktionen, die dennoch zwei eigenständige Titel produzieren sollen, das richtige Signal ist, das ist mehr als fraglich. Andererseits: Wenn Mick Jagger Songs für die Beat­les und Paul McCartney Stücke für die Stones geschrieben hätten, was genau wäre dabei herausgekommen? Man weiß es nicht. Und so kann man jetzt auch mal erst schauen, was wirklich aus Zitty und Tip wird.

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