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Archiv-Artikel

Kristallkugel Hafen

HWWI-Präsident Straubhaar glaubt, dass an der Globalisierung kein Weg vorbei führt – und dass Deutschland gute Chancen hat, davon zu profitieren

Deutschland hatdie Globalisierung wie kein anderes Land ausgenutzt

von Gernot Knödler

Die Globalisierung ist in vollem Gange, wovon die Entwicklung des Hafens ein beredtes Zeugnis ablegt. Sie kann nicht gestoppt werden, weshalb gut beraten ist, wer sich darauf einstellt. Deutschland bringt gute Voraussetzungen mit, davon zu profitieren, braucht aber eine grundlegende Reform seines Steuer- und Sozialsystems. Das sind die zentralen Thesen, mit denen Thomas Straubhaar, Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), gestern den Mitgliedern des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg bei ihrer Jahresversammlung Mut zu machen versuchte.

Im Hafen kristallisiert sich die Globalisierung: Der Containerverkehr ist in den Jahren 2000 bis 2004 um 40 Prozent gewachsen. Stärkster Handelspartner war 2004 mit Abstand die Volksrepublik China, mit der 1.702 Millionen Standardcontainer (TEU) ausgetauscht wurden.

Nach Rechnung der CIA sei China heute schon die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und Indien sei an Deutschland vorbei auf Platz vier vorgerückt. Dabei sei mit Indien noch stärker zu rechnen als mit China, weil dessen Bevölkerung bald zahlreicher sein wird als die chinesische, Indien einen demokratisch verfassten Rechtsstaat habe und Englisch spreche – beste Voraussetzungen für eine schnelle wirtschaftliche Entwicklung.

Deutschland hingegen sei im Pro-Kopf-Einkommen hinter Irland zurückgefallen. Setzt man den Index des Pro-Kopf-Einkommens in Irland auf 100, errreichen die USA 113, Österreich 92 und Deutschland 82. Das müsse zu denken geben, selbst wenn man Sondereffekte berücksichtigt, die Irland bevorteilen.

Straubhaar räumt ein, dass Deutschland dennoch wohlhabender erscheint als Irland. Das werde aber nicht so bleiben, prognostiziert er: „Wer sich nicht bewegt, wird überholt!“ Die deutsche Volkswirtschaft müsse mehr als um plusminus ein Prozent in guten Jahren wachsen, wenn sie ihren Sozialstaat in Zukunft finanzieren und mit der rasanten Alterung seiner Bevölkerung zurechtkommen wolle.

Die Rahmenbedingungen für ein solches Wachstum seien vorhanden: ein verlässliches Rechtssystem, ein stabiles Gemeinwesen, eine sehr gute Infrastruktur und ein auch in der Breite gut ausgebildetes Volk. Am letzten Faktor zeige sich, wie ein Zurückfallen beim Wachstum in eine Abwärtsspirale münden könne: Gut ausgebildete Menschen gehen dorthin, wo sie am meisten Geld verdienen.

Wie umgesteuert werden müsste, sei im Wahlkampf weidlich diskutiert worden. Die Wähler hätten aber nicht den Mut zu der allgemein für notwendig befundenen Reform aufgebracht. Straubhaar nannte zwei zentrale Probleme: Erstens die exorbitante Staatsverschuldung, der eine Große Koalition vermutlich eher durch eine wirtschaftsfeindliche Erhöhung ihrer Einnahmen als durch eisernes Sparen begegnen werde. Zweitens die Höhe der Sozialabgaben, die inzwischen auf 41,9 Prozent des Bruttogehalts geklettert seien – Tendenz steigend, da Hartz IV zwar Menschen in Arbeit gebracht hat, die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse aber gesunken ist. Um reguläre Arbeit billiger zu machen, müsse das Sozialsystem künftig aus den Steuern finanziert werden.

Wie der Anteil am Weltexport zeige, habe „Deutschland wie kein anderes Land die Globalisierung ausgenutzt“. Dieser ersten Welle, in der vor allem materielle Güter gehandelt wurden, werde eine zweite Welle folgen, in der Dienstleistungen wie Finanzierung, Organisation, Planung und Forschung exportiert würden. Um hierbei erfolgreich zu sein, brauche das Land Führung und eine Vision. Der Senat habe das mit seinem Leitbild Wachsende Stadt vorgemacht und werde dafür anderswo beneidet.