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In den Zonen des Übergangs

Fotografie Die Bilder von Lena Szankay erzählen aus einer ländlichen Region in Argentinien und aus Buenos Aires: zu sehen in zwei Ausstellungen im Schöneberger Haus am Kleistpark und im Tempelhof-Museum

von Katrin Bettina Müller

Zwei Hände ragen aus dem Boden, zwei Hände aus Beton vermutlich, groß und monumental, als wäre hier ein Riese unter dem Rasen verborgen. Hinter ihnen laufen Mauerreste auf eine Fassade mit einem Kreuz zu. Reste einer Filmkulisse, ein vergessener Themenpark? Man weiß es nicht, wenn man Lena Szankays Fotografie dieses skurrilen Zusammentreffens sieht. Auf Bildern daneben stehen kleine Tribünentreppen vergessen in der Landschaft und ausrangierten Karosserien, möglicherweise von einem Karussell, sind in zarten Farben übereinandergestapelt.

Hier ging es mal um Geschwindigkeit, hier ging es mal um Vergnügen und Inszenierung, hier ging es mal um die Produktion von Bedeutung. Dass all das jetzt nicht mehr gilt, hat etwas Verwirrendes in den Bildern von Lena Szankay hinterlassen; aber auch etwas Beruhigendes und Entspannendes. Die Behauptung hat jetzt Pause.

Lena Szankay, 1965 in Buenos Aires geboren, ist vor sieben Jahren nach Argentinien zurückgekehrt. Über 20 Jahre hat sie in Berlin gelebt und unter anderem als Fotoredakteurin in der taz gearbeitet. Die Bilder, die sie jetzt in zwei kleinen Ausstellungen in Tempelhof und Schöneberg zeigt (in der Kommunalen Galerie im Tempelhof Museum und im Haus am Kleistpark) sind auch Teil der Geschichte ihrer Rückkehr, der Wiederaneignung des eigenen Landes und eines Staunens über das, was fremd geworden ist. Vor dem Versuch, zu verstehen und zu erklären, steht die Berührung durch visuelle Momente.

Gefühl der Siesta

In der Galerie im Tempelhof Museum sind Bilder einer ländlichen Region Argentiniens, „Santa Fé Litoral“, 100 Kilometer von der Stadt Buenos Aires entfernt, zu sehen, in der Lena Szankay oft Freunde und Künstler besucht. Das Gefühl der Siesta, der langen Mittagspause, die dem Klima geschuldet ist, lege sich da über alles, erzählt die Fotografin in einem Gespräch mit Julie August, die sie als Kuratorin hierhergeholt hat. Man ahnt in den Bildern, wie die Bedeutung der Zeit aussetzt, das Gefühl für Gegenwart. Innen und außen gehen ineinander über, schmale Blätter schieben sich aus dichten Gewächsen durch die schräg gestellten Lamellen eines Fensters nach innen, Kabel hängen nach draußen. Fertiges und Unfertiges verwischen ihre Konturen. Stehen da so viele Farbdosen, weil renoviert wird? Hängen die Stoffbahnen zwischen den Durchgängen, damit der Wind etwas zu bewegen hat?

Oder ist es viel eher Das-sichEinrichten in den Zonen des Übergangs, das Improvisieren auf der Schwelle zwischen dem Offenen und dem Geschlossenen, von dem diese Bilder erzählen? Der weiße Stucklöwe, der an einer leeren Straße zwischen rot gestrichenen Mauern wartet, vielleicht auf Besucher eines Restaurants italienischer Prägung, braucht viel Langmut.

Man ahnt in Lena Szankays Bildern, wie die Bedeutung der Zeit aussetzt

In Santa Fé war Lena Szankay mit einer Mittelformatkamera unterwegs. Die Bilder, die sie im Haus am Kleistpark über Tische verstreut hat, sind mit dem Handy entstanden, schon um unauffälliger zu sein, damit die Kamera nicht geklaut wird. Sie schöpfen aus einem Raum, der von Zeichen vibriert, den nach Aufmerksamkeit heischenden Gesten. Szankay zeigt auch hier eine Vorliebe für das Torpedieren der Bedeutung: vom Wind zerfetzte Plakate an einem Zaun oder von Wänden abgekratzt im Müll, ein Restgrinsen ist noch erahnbar; je breiter das öffentliche Lächeln, desto beklemmender für den davon eingekesselten Flaneur. Nur Che Guevara, dessen Foto jemand über einer Autowerkstatt aus einem Fenster hält, bleibt im menschlichen Maßstab. Man kann schwarz-weiße Reproduktionen dieser Farbbilder mitnehmen, einzeln oder zusammengebunden.

Bilder der Abschottung

Die Bilder entstanden im Wahljahr 2015. „Seit ich wieder in Argentinien lebe“, schreibt die Fotografin, „bin ich von der Inszenierung des politischen Lebens irritiert. Das Alltagsleben wird ständig von dieser Konstante durchkreuzt – auch zwischenmenschliche Beziehungen, sei es mit Kollegen oder mit Freunden, werden davon berührt. Es fühlt sich an wie die Fäden eines Spinnennetzes … Es belegt zu viel Platz in meinem Kopf und in meinen Gefühlen.“ „Rompecabezas“ (Kopfzerbrecher) ist sicher auch deshalb Titel der Fotoinstallation. Darunter finden sich auch Bilder der Abschottung, Mauern, hinter denen neue Wolkenkratzerstädte aufstreben; doch die Kleinteiligkeit überwiegt, ein naher Blick auf vielfach überschriebene Flächen, auf dem Ineinanderrutschen von Politik und Werbeslogans, die nur selten zum Stillstand kommen. Einmal sind Luftballons, die ein Steakhouse anpreisen, in einem Papierkorb hängen geblieben. Den Moment, wo der Stadtlärm einmal Pause macht, ihn hat die Fotografin also auch hier aufgespürt.

Lena Szankay: Haus am Kleistpark, Grunewaldstr. 6/7, Mi.–So. 15–18 Uhr. Tempelhof Museum, Alt-Mariendorf 43, Mo.–Do. 10–18 Uhr, Fr. 10–14 Uhr, So. 11–15 Uhr. Beide bis 28. Februar

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