Ich, Armleuchter. Aber die anderen sind ja noch viel blöder, denn die essen "Chips" und lärmen dabei.
: No cogito (ergo: dumm)

Foto: privat

Jung und dumm

von Adrian Schulz

Lieber Lärm, warum mache ich eigentlich ständig dumme Sachen? Nachdem ich der taz schrieb, dass ich nicht nur Stimmen hören würde, sondern diese Stimmen ihrerseits selbst wieder Stimmen hörten, hatte ich Glück: dass mich die großen, bärigen Pfleger mit ihren möhrendicken Betäubungspfeilen knapp verfehlten; und, dass ich meine Dummheit nun mit verfickten – Verzeihung: fiktiven – Gegenübern wie Dir an dieser Stelle rauf- und runtertherapieren darf.

Dummheit erregt Sympathie, weil die anderen froh sind über die scheinbare Gewissheit, zumindest einen noch blöderen Strunzseppl als sich selber gefunden zu haben – Phänomen „Assi-TV“. Aber damit die jetzt nicht auch noch auf den Gedanken kommen, mich zu mögen, schreibe ich mich ein bisschen widerlich – alles andere wäre ja schließlich schlau.

Also: Von meinen Kommiliton*innen werde ich „Wurstgesicht“ genannt, „Hosenkoter“ oder „der seltsame Typ, der immer mit dem Kopf aufs Pult schlägt und manchmal nach hinten spuckt“. Nach meinem Studium will ich bei Nestlé arbeiten und alle Länder der Erde austrocknen. Und: Ich schreibe meinen Namen beim Michselbergooglen falsch – ein Kennzeichen für echtes Schwachmatentum.

Doch auch die anderen sind nicht frei davon, stopfen sie doch andauernd – „Nahrung“ ist das falsche Wort – überwürztes Kehrichtgepresstes in sich rein. „Chips“ nennen sie es, ich möchte lieber „Industrieabfall“ oder „Chemiewaffe“ sagen. „Chips“ sind das perfektere Soylent Green (frag Dich mal, warum die so stark gewürzt sind), ein stilloses Geschmacksverbrechen allererster Güte. Um mal die Katholenmafia zu paraphrasieren: So etwas kann doch Gott nicht gewollt haben.

Und da kommst Du ins Spiel, Lärm. Denn vor allem im Zug offenbart sich die Wichtigkeit des, Robert Gernhardt zufolge, elften Gebotes: Du sollst nicht lärmen. Da versucht einer in Ruhe seinen Tommy Jaud zu lesen und wird darin andauernd unterbrochen durch rumlabernde Chipsfresser*innen, die das, als braves Konsumvieh, auch noch in aberwitziger, laut kraspelnder Weise tun, so, wie es ihnen immer in der Chips-Werbung vorgekaut wird. Dass einem die Ohren bluten.

Aber wie das mitteilen? Wie die Ladehemmung überwinden? Wie denen jetzt einfach mal was entgegenschleudern: „Halt ein, Du eitriger Höhlenforscher“? Unmöglich.

Stattdessen atme ich also genervtestmöglich, gut hörbar, wie eine säugende Löwenmutter, bis sich unsere Blicke treffen, der der Chipsfresserin und meiner. Stechend starre ich ihr in die Augen, auf dem Kopf die Massivwollmütze, die aussieht, als säße mir ein halber Braunbär auf dem Kopf – ich muss einen seltsamen Anblick abgeben.

Aber gleich einen einschüchternden? Offenbar ja – fortan ist Ruhe. Danke also, Lärm, dass Du mir den Respekt verschaffst, der nötig ist, um Dich wieder loszuwerden. Aber, Lärm, Verehrter – sei nicht traurig, wir werden uns sicher bald wiederhören.

Bis dahin, Dein Adrian

PS: Kennst Du den schon? - Was machen zwei Milchtüten, die einander im Kühlschrank gegenüberstehen? Dialaktik!

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