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DADA Wir würdigen den 100. Dada-Geburtstag mit einer taz-Sonderausgabe. Doch was taugt Dada heute?
: Anregende Anarchie

Ist das Kunst, oder kann das weg? Gehört nicht eher diese Frage in den Müll?  Foto: Thomas Peter/reuters

von Brigitte Werneburg

Um ein dadaistisches Gedicht zu machen, empfahl der rumänische Schriftsteller und Dichter Tristan Tzara (1896–1963): „Nehmt eine Zeitung. Nehmt Scheren. Wählt in dieser Zeitung einen Artikel von der Länge aus, die Ihr Eurem Gedicht zu geben beabsichtigt. Schneidet den Artikel aus. Schneidet dann sorgfältig jedes Wort dieses Artikels aus und gebt Sie in eine Tüte. Schüttelt leicht. Nehmt dann einen Schnipsel nach dem anderen heraus. Schreibt gewissenhaft ab. In der Reihenfolge, in der sie aus der Tüte gekommen sind. Das Gedicht wird Euch ähneln. Und damit seid Ihr ein unendlich Origineller Schriftsteller mit einer charmanten, wenn auch von den Leuten unverstandenen Sensibilität.“

Das Grundmaterial von Dada ist also die Zeitung und damit gebietet es sich für uns als ebensolches Medium, Dada und seinen 100. Geburtstag zu feiern. Es ist eben etwas anderes, wenn man die Zeitung nur Lügenpresse nennt, was sie nebenbei bemerkt damals, als Dada während des Ersten Weltkriegs entstand, weiß Gott war.

Oder ob man sie kreativ zerstört und aus dem faden patriotischen Gedöns, aufrührerisch unverständliche, alberne und dabei äußerst wohlklingende Simultangedichte montiert. Mitten in einer größten Menschheitskrisen bedenkenlos alles links liegen zu lassen, was in der Krise Halt und Hoffnung versprach, was als Unhinterfragbar tabuisiert und sakralisiert war, nicht eines Blickes zu würdigen, das war klug, das war Dada.

Mit seinen Methoden des Zerstörens und Neuzusammenfügens per Zufallsprinzip revolutionierte Dada nicht nur die Literatur und die Bildende Kunst, sondern auch den Tanz, die Typografie, das Zeitschriftenlayout und in Ansätzen auch die Geschlechterrollen in der Kunst. Nach modernem Sprachgebrauch war Dada disruptiv. Ein neues Programm, das über das längst Programmierte einfach hinwegging. Darin ist Dada bis heute anregend.

Mit seinen Methoden des Zerstörens und Neuzusammen­fügens per Zufall revolutionierte Dada

Davon wollen wir uns anstecken lassen und Dada feiern, mit einer besonderen taz-Ausgabe am Dada-Geburtstag, dem 5. Februar. Jenem Tag im Jahr 1916, an dem der Dramaturg Hugo Ball, und die Diseuse, Dichterin und Gelegenheitsprostituierte Emmy Hennings zusammen mit dem Künstler Hans Arp, Tristan Tzara und dem Architekten Marcel Janco die „Künstlerkneipe Voltaire“ in Zürich eröffneten. Denn wir glauben, dass die Methode Dada heute mehr denn je gebraucht und dazu erst einmal erinnert werden muss.

Man kann ja auch Argumente und Gedanken auseinandernehmen, wieder neu zusammensetzen und schauen, was dabei passiert. Das wäre wohl nötig, bei all den allzu plausiblen und allzu bekannten Argumenten, die heute die Fragestellungen und Probleme dominieren.

In Zeiten, in denen Political Correctness oft genug anstößiges Sprachhandeln nur umetikettieren, das entsprechende Verhalten aber sonst keineswegs verändern will, muss die Rücksichtslosigkeit, die Anarchie und die Phantasie von Dada lehrreich sein. Wo der Political Correctness Deutungshoheit wichtiger ist als Erkenntnis, tut es gut zu wissen, dass zwar vieles zum Weinen, Dada aber zum Lachen ist. Seien Sie gespannt auf die Dada-taz am 5. Februar.

Brigitte Werneburg, ist Kunstredakteurin im taz-Kulturressort, koordiniert wird die Dada-taz von Andreas Fanizadeh, Leiter des taz-Kulturressorts, und Klaus Hillenbrand, Ressortleiter taz.eins.