: Aufarbeitung für die Kinder der Täter
JÜDISCHES LEBEN Beim Brand der Bremer Synagoge 1938 blieb nur der Keller erhalten – und das benachbarte ehemalige Gemeindehaus, das Rosenak-Haus. Die Rosenak-Initiative möchte dort ein Zentrum einrichten, das die Geschichte des Hauses dokumentiert
Architektin Thormann-Salamon
Das Bremer Schnoor-Viertel ist ein alter Stadtteil mit verwinkelten Gässchen, heute zieht es vor allem Touristen an. Früher gehörten die Sträßchen zum Zentrum Bremens. Eine Bronzetafel in der Kolpingstraße erinnert daran, dass hier einmal die Synagoge gestanden hat, bis November 1938, als sie von den Nazis angezündet wurde.
Von außen sah sie so unscheinbar aus wie ihre Nachbarhäuser, im Inneren war es ein prachtvoller Gebetsraum. Der Keller der Synagoge blieb intakt und auch das Nachbarhaus, das ehemalige jüdische Gemeindehaus. Über der Tür gut sichtbar trug es den Namen Rosenak-Haus – zur Erinnerung an den ersten Rabbiner Bremens, Leopold Rosenak (1868–1923). Im Jahre 1926 hatte die Israelitische Gemeinde in Bremen das Haus gekauft und dort Versammlungsräume, Klassenzimmer für die Religionsschule und ein Gemeindearchiv eingerichtet. Seit 1954 gehört das Haus dem Katholischen Gemeindeverband, der es vor ein paar Jahren an einen Investor verkaufen wollte, der sich auch für das Synagogengrundstück interessierte. Er wollte dort schicke Innenstadt-Wohnungen bauen.
Heute ist Rosenaks Name wieder an der Tür zu lesen– eine Rosenak-Initiative hat das Gemeindehaus und den alten Keller vor dem Abriss bewahrt, mit Hilfe des Denkmalschutzes, der den Keller als schutzwürdig einstufte. Am Donnerstag hat Caritas-Geschäftsführer Martin Böckmann die Schlüssel zum Keller der Rosenak-Initiative übergeben, die in dort eine Gedenkstätte für jüdische Geschichte und Kultur einrichten will. Über dem Keller ist inzwischen ein Wohnhaus entstanden, das die in der Reichspogromnacht gerissene Baulücke füllt.
Mehrere Jahre hatte die Rosenak-Initiative nach einem Geldgeber gesucht, der das Gemeindehaus ganz für ihre geplante Bildungsarbeit sichern sollte – vergeblich. Die Caritas und der Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) haben das Haus schließlich Anfang dieses Jahres dem katholischen Gemeindeverband abgekauft. Kauf und Umbau kosteten rund 500.000 Euro. Die beiden neuen Eigentümer nutzen den größeren Teil der 300 Quadratmeter. Seit Ende November befinden sich dort die SKF-Geschäftsstelle und Beratungsdienste der beiden katholischen Wohlfahrtsverbände. Mehrfach in der Woche gibt es Schwangerschafts- und Mütterkuren und auch Schuldnerberatung. Ins Rosenak-Haus sind auch die Kleiderkammern von SKF und Caritas eingezogen. Ein Büroraum und der Keller werden an die Rosenak-Initiative vermietet.
Die Jüdische Gemeinde ist bei dem Projekt des Rosenak-Vereins nur im Beirat vertreten und hat sich bisher weitgehend desinteressiert gezeigt. „Ich verstehe das so“, sagt die Architektin Bettina Thormann-Salamon, Mitglied im ehrenamtlichen Vorstand des Rosenak-Vereins, „dass hier die Kinder der Täter ihre Geschichte aufarbeiten“. Ihr Vater war aktiver Nazi.
Der Rosenak-Verein hat schon begonnen, gemeinsam mit Bremer Schulen und unter Anleitung von Kultur- und ReligionswissenschaftlerInnen „Bausteine“ für eine Wanderausstellung zu entwickeln, welche die Geschichte des Rosenak-Hauses rekonstruieren soll. Dafür wurden auch Fördermittel aus dem Leo-Baeck-Programm „Jüdisches Leben in Deutschland – Schule und Fortbildung“ gewonnen. Für das geplante Bildungs- und Vortragsprogramm ist der Verein auf Spenden angewiesen. Die Instandsetzung und Einrichtung des alten Synagogen-Kellers soll mit 100.000 Euro aus der Bremer „Stiftung Wohnliche Stadt“ finanziert werden.
KLAUS WOLSCHNER