: Die Eiserne Lady auf dem Drahtseil
Name: Birgit Schnieber-Jastram. Alter: 59. Familienstand: Verheiratet, Mutter. Amt: Zweite Bürgermeisterin und Sozialsenatorin in Hamburg. Partei: CDU. Aufgabe: Straffällige Jugendliche wegsperren. Befund: Gescheitert
Es ist nur bedingt die Schuld der Christdemokratin Birgit Schnieber-Jastram, aber als Ressortchefin trägt nun mal sie die politische Verantwortung. An der Aufgabe jedoch, einen Kinderknast zu schaffen, der kein Kinderknast sein darf, wären auch andere gescheitert als die Sozialsenatorin und Zweite Bürgermeisterin Hamburgs. Ein Geschlossenes Heim für straffällige 13- bis 16-jährige Jungen, die für das Jugendgefängnis eben zu jung sind, war in der CDU-Schill-Koalition im Oktober 2001 die Forderung des gnadenlosen Richters Ronald Schill. Umsetzen aber sollte es die Sozialbehörde: Ein Drahtseilakt als politisches Programm.
Die aktuellen Rücktrittsforderungen der rot-grünen Opposition an Schnieber-Jastram sind gleichsam ein Symbol für das sprichwörtlich übergelaufene Fass. Breit ist die Schneise der Verwüstung, welche die „Maggie Thatcher der CDU“ in der Sozial- und Frauenpolitik, bei Kindergärten und MigrantInnen angerichtet hat. Nur zum kleineren Teil aus Sparzwängen, zum größeren aus Überzeugung.
Am meisten vor den Kopf stieß die Mutter zweier Kinder ihre eigenen Geschlechtsgenossinnen, obwohl sie anfangs einzige Frau im Senat männlicher Konservativer war. „Frau sein allein ist kein Grund, beraten zu werden“, erklärte sie im Herbst 2001 und strich etlichen Beratungsstellen die Zuschüsse. Wer weiter existieren wollte, musste aus seinen Flyern das Wort „feministisch“ streichen oder auch Angebote für Männer machen. Bedarf an Hilfe sah sie nur noch für Mütter, die Beruf und Familie vereinbaren wollen.
Weshalb es ihr auch leicht fiel, ein Frauenhaus mit der Begründung zu schließen, dies gebe verprügelten Frauen „die Chance, vermehrt in ihrer eigenen Häuslichkeit zu verbleiben“. Das Amt für Gleichstellung schaffte sie gleich mit ab, das der unabhängigen Ausländerbeauftragten ebenfalls. Öffentlichen Diskussionen mit den Betroffenen aber verweigerte sie sich über Jahre.
Nachdem die Grausamkeiten verübt waren, versuchte sich Schnieber-Jastram auch als freundliche Familiensenatorin, die auch schon mal in Hagenbecks Tierpark Plüschteddys für einen guten Zweck verteilt. Denn nach der Neuwahl im Februar vorigen Jahres musste sie zusätzlich von der Schulbehörde das Kita-Amt übernehmen, wo der FDP-Admiral Rudolf Lange ein solches Chaos angerichtet hatte, dass er um seine Entlassung nachsuchen musste. Wenn eine da für Ordnung sorgen könne, dachte CDU-Bürgermeister Ole von Beust, dann die „Eiserne Lady“, die er nach sieben Jahren Bundestag in sein Kabinett geholt hatte. Sie tat es auf ihre Weise.
Als es darum ging, mit den Kita-Trägern neue Leistungsentgelte zu vereinbaren, ging sie erneut sehr rabiat vor. Als Drohgebärde brachte sie – für den Fall, dass die Verhandlungen zu ihren Bedingungen scheitern sollten – ein Gesetz auf den Weg, dass es der Stadt erlaubt hätte, bis zu 90 Millionen Euro bei der Kinderbetreuung einzusparen. Mehrere Großdemonstrationen und die beschwichtigende Einmischung der eigenen Parteifreunde waren notwendig, um die Senatorin von ihrem harten Kurs abzubringen. Blockiert, so war aus Rathauskreisen zu hören, hatte hier nicht der Finanzsenator, sondern die Familiensenatorin selbst.
Auch in der Folge musste die einzige Nicht-Akademikerin im Hamburger Senat, ehemalige Redakteurin eines Anzeigenblattes und elf Jahre lang Leiterin des Wahlkreisbüros des Hamburger CDU-Bundestagsabgeordneten und Kohl-Vertrauten Volker Rühe, sich von der Opposition den Vorwurf anhören, sie habe „keine Empathie“ für das Kita-Thema, was sich auch daran zeige, dass sie auf Pressekonferenzen und in Ausschüssen nur vom Blatt ablese. Für die Beantwortung kritischer Fragen pflegt die stellvertretende Parteichefin der Hanse-Union noch immer ihrem Staatsrat oder einem Amtsleiter das Wort zu übergeben.
Erst seit dem Schlagzeilengewitter der vergangenen zwei Wochen ist die jetzt 59-Jährige gesprächiger geworden. Wohl auch, um ihr Image aufzupolieren, wagte sie sich vorigen Montag erstmals in eine Kita und las dort Kindern vor. Zwar nur aus dem Bilderbuch, aber immerhin.
Kaija Kutter/Sven-M. Veit