: Trainer sucht Mannschaft
Heiner Brand ist unvermindert damit beschäftigt, eine neue Handball-Nationalmannschaft aufzubauen. Der heute in Bremen beginnende Supercup soll ihm weitere Mosaiksteinchen liefern
VON ERIK EGGERS
Der Istzustand verheißt wenig Gutes. „Seit Olympia haben wir keine Mannschaft gefunden“, stellt Heiner Brand jedenfalls ernüchtert fest. Damals überstrahlte das Charisma des Silbermedaillengewinners die Athener Spiele und alle erhofften sich für die WM 2007 im eigenen Land eine Mannschaft ähnlicher Güte. Der Weg dorthin aber erweist sich nun als ziemlich steinig. „Wir haben es bisher nur geschafft, einige Spieler ein wenig heranzuführen“, konstatiert der Handball-Bundestrainer, dabei haben besagte Spieler sogar „mehr Chancen erhalten, als es unter normalen Umständen gewesen wären“. Insofern kommt dem am heutigen Mittwoch beginnenden Supercup, dem wichtigsten Turnier der Nationalmannschaften dieses Herbstes, eine noch größere Bedeutung zu: Es gilt für Brand, weitere Mosaiksteine zu sammeln beim Neuaufbau im Hinblick auf die WM.
Die Konkurrenz ist stark. Einen Tag nach dem heutigen Auftakt in Bremen gegen Olympiasieger Kroatien (18.30 Uhr) treffen die Deutschen in Magdeburg auf Russland (20 Uhr). In der zweiten Gruppe kämpfen Schweden, Weltmeister Spanien und Frankreich um das Halbfinale am Samstag in Halle/Westfalen (das Finale findet Sonntag in Hannover statt). Umso mehr bedauert es der Bundestrainer, dass sich auch diesmal die seit Athen zu verzeichnende Verletztenmisere fortsetzt. Eine tragende Säule des Spiels, Mittelmann Markus Baur (TBV Lemgo), plagt sich seit einem Jahr mit seiner Achillessehne. Er fehlt ebenso wie seine Vereinskollegen Daniel Stephan (Oberschenkelzerrung) und Sebastian Preis (Leistenzerrung). Auch die Rückraum-Hünen Jan-Olaf Immel (TV Großwallstadt) und Holger Glandorf (HSG Nordhorn) müssen langwierige Verletzung auskurieren, gleiches gilt für Linksaußen und Kretzschmar-Nachfolger Torsten Jansen (HSV Hamburg). Immerhin zählt Keeper Henning Fritz (THW Kiel), der Welthandballer des Jahres 2004, nach längerer Pause wieder zum Kader.
Nun gab es Ausfälle schon immer, doch vor Athen, so der Bundestrainer, seien Verletzungen besser zu kompensieren gewesen, da es sich um eine seit Jahren gewachsene Mannschaft gehandelt habe. Schon deshalb würde der neuen Mannschaft mehr Zeit „schon gut tun“. Dennoch, als vorweggenommene Entschuldigung will Brand das nicht verstanden wissen. „Wir müssen als Mannschaft einen Schritt nach vorne machen“, fordert der 53-jährige Gummersbacher vielmehr. Vor allem vom eingebürgerten Ukrainer Oleg Velyky erwartet er noch mehr als bei der WM in Tunesien, als die Mannschaft ähnlich verletzungsgeplagt Rang neun belegte. Der hochbegabte Rückraumspieler in Diensten der SG Kronau hat laut Brand „nun eine noch stärkere Verantwortung. Er ist ja ein sehr ruhiger Mensch. Ich hoffe, er öffnet sich noch ein bisschen.“
Dem Debütanten Andrei Klimovets (ebenfalls Kronau) hingegen versucht Brand den Druck zu nehmen. Der in Weißrussland geborene Kreisläufer, der nach neun Jahren Aufenthalt in Deutschland jüngst einen deutschen Pass erhielt, soll die Leerstelle ausfüllen, die Christian Schwarzer nach Athen hinterlassen hatte. Dass der 31-Jährige sofort eine Führungsrolle übernimmt, könne man nicht erwarten. Dazu sei seine Spielposition am Kreis einerseits ungeeignet. „Und dann hat er ja noch nie in dieser Mannschaft gespielt, muss da erst reinwachsen.“
Besonderes Augenmerk wird Brand sicherlich auf Christian Zeitz richten (THW Kiel). Der Jungstar zählte bis Athen 2004 als perfekter Ergänzungsspieler zu Routinier Volker Zerbe, doch nach dem Rücktritt des Lemgoers konnte der Linkshänder mit dem brachialsten Wurf der Bundesliga zumindest in der Nationalmannschaft nicht überzeugen. Bei der WM in Tunesien zählte Zeitz zu den größten Enttäuschungen, und es entzündete sich eine Kontroverse darüber, warum Zeitz im Klub teilweise sensationelle, im Nationaldress aber nur mäßige Leistungen ablieferte. Zeitz gilt im Hinblick auf die EM im Januar 2006 in der Schweiz, aber auch für dir WM 2007 als Schlüsselfigur. Daher wird an ihm abzulesen sein, ob die Mannschaft schon in dieser Woche den traurigen Istzustand verlässt und sich langsam dem Sollzustand annähert.