Berliner Szenen: Neues Siphon
Geruchsverschluss
Ich schaue ins Siphon. Ich schaue tief ins Siphon, also von oben, beim Zähneputzen. Das Siphon ist neu, und ich mag es. Schon das Wort „Siphon“ mag ich, es hat einen schönen Klang, es klingt metallisch, es erinnert an ein Sousaphon. Man könnte einen Gedichtband so nennen: „Neue Siphons“. Oder so ähnlich.
Dass ich ein neues Siphon habe, Siphon ist sächlich oder auch männlich und bedeutet „Geruchsverschluss“, ist im Wesentlichen meinen guten Vermietern zu verdanken. Ich habe Glück mit meinen Vermietern. Ich habe auch Glück mit dem Hausmeister, dem ich noch viel mehr zu verdanken habe! Nämlich, klassisch, wie in einem Roman von Houellebecq, fiel der alte Verschluss zur handwerkerungünstigsten Zeit überhaupt, nämlich zwischen den Jahren, einfach so: ab.
Da ich als Handwerkersohn eine permanente Handwerkerblockade habe, und mein Vater, der Elektriker, leider gute sechs Stunden entfernt lebt, blieb mir nichts anderes übrig, als meinen Vermieter zu kontaktieren. Der war erst mal nicht zu erreichen, also schrieb ich ihm eine Mail, woraufhin sich gleich am nächsten Morgen der Hausmeister meldete. Der wohnt im Vorderhaus, sehr praktisch, schaute sich das Malheur an, setzte sich auf sein Mofa, düste zum bis 14 Uhr geöffneten Baumarkt an der Hasenheide und kam mit neuem Zeug wieder.
Er sägte ein wenig herum, machte und probierte und verkündete schließlich: Fertig. Wasser kann wieder ablaufen.
Währenddessen sinnierte ich über meine Wohnung, Altbau, Reuterkiez, wahrscheinlich zuletzt kurz nach der Wende renoviert. Sie ist oll, sie verfällt, sie verwittert. Immerhin lässt sich Mortimer, die Maus, nicht mehr blicken. Aber stammen nicht diese heruntergerieselten Putzstücke von ihr? Ich achte auf Geräusche, aber ich höre nichts. Nur mal ein Gepolter, das von den Nachbarn kommt.
Doch im Bad sieht es jetzt besser aus. René Hamann
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