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Archiv-Artikel

„Ich blieb, wo ich war“

Ich hatte schon immer Probleme mit Busfahrern, denn ich empfand es als sinnlos, mein Geld vorne beim Einstieg zu bezahlen und dann wieder auszusteigen und draußen nach hinten zur Tür zu gehen. Manchmal verweigerten mir die Fahrer daher auch ganz, in den Bus einzusteigen. […]

Ich verließ an jenem Dezembertag meine Arbeit in der Änderungsschneiderei. Anschließend wartete ich an der nahen Haltestelle auf den Bus „Cleveland Avenue“, der vielleicht einige freie Sitzplätze hatte. Als der Bus kam, lief ich durch den Gang und sah, dass nur ein einziger Sitz frei war, ausgerechnet am Ende der für die Weißen reservierten Plätze. Dort setzte ich mich also hin, neben einen schwarzen Mann. Gegenüber saßen zwei schwarze Frauen. Der Bus fuhr dann eine Station und ich achtete nicht darauf, wer alles einstieg. Nach dem dritten Stopp stand ein Mann im Gang, der Busfahrer schaute nach hinten und forderte uns vier Schwarze auf, ihm diese Sitze zu geben.

Zuerst stand niemand von uns auf. Dann sagte er: „Ihr macht es euch am einfachsten, wenn ihr aufsteht.“ Der Passagier, für den der Busfahrer den Sitz frei machen wollte, sagte nichts. Die anderen drei standen plötzlich doch auf und stellten sich hinten in den Gang. Ich blieb, wo ich war. Der Fahrer schaute mich an und fragte, ob ich nicht aufstehen wolle. Nein, antwortete ich ihm. „Dann werde ich dich eben verhaften lassen.“ Ich sagte ihm, er solle dies ruhig tun.

Er verließ den Bus und kam mit zwei Polizisten zurück. Sie fragten mich, ob der Fahrer mich aufgefordert hätte aufzustehen. Ich sagte ja, und sie wollten wissen, warum ich seinen Anweisungen nicht Folge leisten würde. Ich sagte ihnen, dass ich nicht aufstehen muss. Ich habe meine Fahrkarte bezahlt, einen freien Sitz gefunden – warum sollte ich aufstehen. Sie verhafteten mich und fuhren ins Gefängnis. Dort sperrten sie mich in eine Zelle, machten ein Foto und nahmen meine Fingerabdrücke. Kurze Zeit danach erschien Mr Nixon (ein damals führender Bürgerrechter in Alabama, d. Red.) und ein Anwalt, um für mich eine Kaution zu hinterlegen.

Zuvor hatte ich die Erlaubnis bekommen zu telefonieren. Ich sprach mit meiner Mutter. Sie war wütend und wollte wissen, ob die Polizei mich geschlagen hatte. Das war jedoch nicht der Fall. Ich verlangte, dass mein Mann mich besuchen kommen darf. Als er eintraf, war Mr Nixon bereits da und hatte die Kaution bezahlt. So konnten wir nach Hause gehen.

Aus „My Soul Is Rested“, eine „Oral History“ der US-Bürgerrechtsbewegung. Autor: Howell Raines. Übersetzung: Michael Streck