Francis Laugstien isst Spreewaldgurken auf der Grünen Woche: Überall riecht es nach Wurst
Als Kind bin ich früher gerne auf Messen gegangen. Bonbons, Kugelschreiber und anderes unnützes Zeug – einfach toll. Später konzentriert Mann sich bekanntlich auf Wichtigeres: Die nettenDamen, die das unnütze Zeug unter die Leute bringen. Für die taz schaue ich mir am Montag auf der Internationalen Grünen Woche, die noch bis Sonntag in den Messehallen gastiert, aber das Wesentliche an. Wirklich.
Schon am Eingang soll mein eherner Grundsatz wohl auf die Probe gestellt werden. Vor dem Eingang weist mich ein freundlicher Ordner ein. „Ich empfehle den linken Aufgang. Da sind die hübschesten Frauen. Die Grüne Woche ist ohnehin nur etwas, wenn Sie auf bayerische Frauen stehen.“ Ähhm, ich dachte es geht hier um Lebensmittel. Und wieso überhaupt Bayern? Sollte sich in diesem Jahr nicht alles um Brandenburg drehen?
In der ersten Halle ist es brechend voll. Eine vermeintliche bayerische Blaskapelle sorgt für Wirtshausstimmung. Eine Frau, die aussieht wie die bayerische CSU-Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, drückt mir Werbung für Spargel in die Hand. Das Publikum hält einen konstanten Alkoholpegel. Überall riecht es nach Wurst.
Lachsdöner und Mampe
Dann aber schaue ich mir die Musiker auf der Bühne genauer an. Auf ihren Uniformen prangt ein roter Adler. Die bayerische Blaskapelle ist in Wirklichkeit ein brandenburgisches Polizeiorchester. Der Ordner am Eingang hat mich auf die falsche Fährte geführt. Jetzt erst sehe ich den Beelitzer Spargel und den Stand mit den Spreewaldgurken.
Dann mache ich mich ans Probieren. Eine Frau reicht mir mediterrane Salami aus der Uckermark. „Mediterran ist die wegen der Gewürze“, erklärt sie. In der Halle mit Produkten aus Berlin gibt es Currywurst, Lachsdöner und Mampe, ein Berliner Kräuterschnaps mit üblem Ruf.
Und dann steht plötzlich Dietmar Woidke, Brandenburgs SPD-Ministerpräsident, vor mir. An seiner Seite posiert die Bierkönigin des Landes. Ich strecke ihm meinen Arm entgegen – er bricht mir fast die Hand. Wenn er damit erreichen wollte, dass ich ihm keine Frage stelle, hat es funktioniert. Verdammt! Die taz hätte mich bestimmt vom Praktikanten zum Chefredakteur befördert.
Ich kippe einen Likör gegen Leberbeschwerden – und traue mich dann noch an die Spreewaldgurken, das Glas für einen Euro.
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