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Gütig ohne Gott

STUDIE Forscher prüften das Sozialverhalten von Kindern: religiöse Erziehung macht diese intolerant

Beim den Tests ­zeigten religiöse Kinder mehr Härte, wollten schärfer bestrafen

BERLIN taz | Eine internationale Studie der University of Chicago liefert Futter für ReligionskritikerInnen. Sie zeigt: Kinder aus religiösem Umfeld sind unsozialer und unnachgiebiger. Sie teilen weniger als nicht religiöse AltersgenossInnen und halten obendrein stärkere Bestrafung für angemessen.

Das Pikante daran: Die Studie wurde von der John Templeton Foundation gefördert. Die konservative US-Stiftung unterstützt gezielt Forschung, die Wissenschaft und Spiritualität in Beziehung setzt. KritikerInnen werfen ihr religiösen Lobbyismus vor.

Dementsprechend scheint der nun in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlichte Artikel nach hinten los zu gehen. Der Entwicklungspsychologe und Neurowissenschaftler Professor Jean Decety und sein Team haben soziales Verhalten und Toleranz von 1.170 Kindern zwischen fünf und zwölf Jahren auf die Probe gestellt. Die kleinen TeilnehmerInnen aus Kanada, China, Jordanien, Südafrika, der Türkei und den USA stammten vor allem aus muslimischen (43%), christlichen (24%) und nicht religiösen (28%) Familien. Kleinere jüdische, buddhistische, hinduistische und agnostische Gruppen fielen nicht ins Gewicht.

Das sogenannte Diktatorspiel deckte dabei auf, wie altruistisch die Probanden waren. Für das psychologische Experiment erhielten sie zehn Sticker, die sie mit einem unbekannten Kind teilen konnten. Je großzügiger, desto altruistischer, so die Logik.

Um das Einfühlungsvermögen zu bewerten, zeigten die Forscher zudem kurze Animationen, in denen eine Figur eine andere leicht schubste oder stieß – versehentlich oder mit Absicht. Anschließend sollten die Kinder bewerten, wie boshaft das Verhalten war und welche Strafe angemessen sei.

Beide Male schnitten Jungen und Mädchen religiöser Familien schlechter ab, als solche ohne religiöse Erziehung. Sie teilten seltener Sticker, ließen mehr Härte walten und waren weniger tolerant, wenn es darum ging, andere für soziales Fehlverhalten zu bestrafen. Ähnliche Ergebnisse zeigten übrigens auch Studien mit Erwachsenen.

Interessanterweise stand das Gebaren der Kinder im deutlichen Gegensatz zur Wahrnehmung ihrer Eltern. Gerade religiöse Familien schrieben dem Nachwuchs nämlich mehr Einfühlungsvermögen zu. Ein häufiger Fehlschluss, wie Studienautor Decety erklärt: „Unsere Ergebnisse widersprechen der geläufigen und beliebten Annahme, dass Kinder aus religiösem Haushalt, altruistischer und gütiger anderen gegenüber ist. In unserer Studie waren Kinder aus atheistischen und nicht religiösen Familien de facto großzügiger.“

Besonders tragisch für die Sprösslinge: Je länger sie dem religiösen Umfeld ausgesetzt waren, desto weniger großzügig wurden sie. Prinzipiell gilt nämlich: Je älter Kinder, desto freigiebiger – falls Religion bei der Erziehung keine Rolle spielt.

„Die Ergebnisse zeigen, dass Religion Altruismus bei Kindern über Landesgrenzen hinweg negativ beeinflusst“, sagt Decety. „Sie fechten die Meinung an, dass Religiosität prosoziales Verhalten fördert und stellen in Frage, ob Religion wichtig für die moralische Entwicklung ist.“ Säkularisierung reduziere also beileibe nicht menschliche Güte. Das genaue Gegenteil sei der Fall.

Astrid Ehrenhauser

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