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THEATER

TheaterEsther Slevogtbetrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Der deutsche Botschafter in Warschau wurde gerade von der polnische Regierung einbestellt und gerüffelt, wegen der Kritik deutscher Politiker (muss man nicht gendern, waren alles Männer) am Kurs der neuen polnischen Regierung. Dabei gehörten diese deutschen Politiker alle zur EU und sprachen für die europäische Gemeinschaft – aus Brüssel, das für einige osteuropäische Länder so eine Art neues Moskau ist, eine autoritäre Völkerfreundschaftsgouvernante. Wenn man dieser Tage nach Osteuropa blickt, könnte man glauben, die jungen Demokratien sind jetzt in die Pubertät gekommen. Rebellieren gegen die Brüsseler Übermutter, unter deren Schutz sie ab 1990 in die Unabhängigkeit gingen. Aber wir schweifen ab, in dieser Theaterkolumne, deren Stichwort heute der Begriff „Der Botschafter“ ist. Denn so ist der neue Abend von Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen im HAU überschrieben. Und der ist nicht mal von Osteuropa, sondern von Westafrika inspiriert, wo westliche Botschafter*innen scheinbar derart aus dem Rahmen fallen, dass sie gesonderter theatralischer Beobachtung bedürfen. So verwandelt laut Ankündigung ein Team aus Musiker*innen und Performer*innen aus der Elfenbeinküste und Deutschland Erzählungen über Macht und Machtlosigkeit, Distanz und Verstrickung in ein spekulatives Singspiel. (HAU 2: „Der Botschafter – Ein deutsch-westafrikanisches Singspiel“, Premiere 20. 1., 20 Uhr).

Um Musik geht’s ab 14. 1. auch im Ballhaus Ost, genauer gesagt um rumänische Musiker, die in den 1970er Jahren in der DDR für völkerfreundschaftliche Stimmung sorgten, in dem sie sehr erfolgreich Coverversionen internationaler Hits sangen und so (zumindest gefühlt) die verfeindeten Systeme in Ost und West austricksen konnten. Unter diesen Musikern war auch der Vater des Schriftstellers Peca Stefan, der diese Geschichte nun, gemeinsam mit der Dramatikerin Anne Rabe und anderen zum Ausgangsmaterial für den Abend „And we took Berlin“ gemacht hat. Es soll, wie man liest, auch um die Frage gehen, inwieweit Parallelen von damals zu heute gezogen werden können: zur Situation freier Künstler*innen mit mehr oder weniger marktwirksamen Identitäten innerhalb manipulativer Systeme und den Mechanismen der internationalen Kooperation (Ballhaus Ost: ab 14. 1., 20 Uhr).

Im Hans Otto Theater steht ebenfalls die herzzerreißende Geschichte von Systemaussteigern auf dem Programm: eine Theaterfassung von Lutz Seilers preisgekröntem Roman „Kruso“, die Elias Perrig inszeniert (Hans Otto Theater, Potsdam: „Kruso“, Premiere 15. 1., 19.30 Uhr).

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