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Archiv-Artikel

Gastkommentar von Katrin Rabus „Die Politik kann jede Kultureinrichtung in die Insolvenz treiben“

Zerstört die Politik das Theater? Nur langsam entwirren sich auch für den kundigen Betrachter bremischer Kulturpolitik die Handlungsstränge. Bundesweiter Schaden für die Institution des Theaters, aber auch für das Ansehen unseres Stadtstaates ist schon eingetreten. Der Scherbenhaufen ist da.

Komplizierte Finanzdaten aus Altlasten, Baukosten, Saisonschwankungen sowie die bekannte Unterkapitalisierung verwirren und erschweren immer eine spontane Solidarität. Der Senator bezweifelt die vom Theater dargestellten Zahlen, setzt aber keine eigenen Informationen dagegen, er verschweigt die Alternativen für eine Lösung (Bürgschaft, Kapitalerhöhung) und unterschlägt in seinen öffentlichen Äußerungen die Lösungsvorschläge der Theaterleitung. Fakten und Ursachen werden vernebelt. Die Öffentlichkeit kann sich daher kein Bild von der Situation machen.

Aber es geht ja nur vordergründig um Liquidität. Probleme dieser finanziellen Größenordnung hat die Große Koalition in anderen Politikbereichen auf ganz andere Weise gelöst, geräuschlos, im Hintergrund. Vielmehr geht es um eine gezielte Schwächung der gesamten Kulturlandschaft. Das Theater als öffentlicher Ort schafft künstlerische Bezüge zur Realität, es unterhält und belehrt. Das soziale Gefüge des deutschen Stadttheaters will Gegenpol sein zur Kommerzialisierung der Gesellschaft – hier werden Werte erlebt und gelebt, die sich in fruchtbarer Wechselwirkung mit dem Publikum in einer Stadt entfalten. Intendant Klaus Pierwoß hat diese Position verkörpert und immer wieder eingefordert, oft zum Ärger der Politik. Er hat andere ermutigt und ein Klima der offenen Auseinandersetzung bevorzugt. Das war neu, notwendig und hat der Stadt gut getan. In offenen Foren wie der Kulturinitiative Anstoß haben alle davon profitiert.

Trotz Kulturhauptstadtbewerbung und großer Versprechen setzt die Politik andere Prioritäten. Um die wenigen Mittel im Haushalt der Stadt wird hart gegeneinander gekämpft, Wirtschaft und Wissenschaft haben die bessere Lobby. Jede kulturelle Einrichtung sucht im Chaos der schwindenden politischen Autorität ihre Beschützer in den Hinterzimmern. Solidarität – Fehlanzeige. Verständlich, aber fatal. Der Gemeinsinn für ein kulturelles Leitbild geht verloren. Das Signal des Konflikts heißt eindeutig: Jede Kultureinrichtung kann erst unterfinanziert und dann von der Politik in die Insolvenz getrieben werden. Wer will in diesem Klima von Drohung und Ignoranz noch protestieren?