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Es kracht im Reich der Mitte

China Zum zweiten Mal in dieser Woche schließt China vorzeitig seine wichtigsten Börsen. Immer mehr Anleger fliegen aus chinesischen Papieren und ziehen ihr Kapital ab. Die Regierung ist nervös

aus Peking Felix Lee

Lu Wei hat noch nicht einmal seine Jacke ausgezogen. Andere Händler um ihn herum rennen auf dem Börsenparkett hektisch hin und her. Viele blicken entsetzt auf die großen elektronischen Kurstafeln in der Mitte der Schanghaier Börse. Auch er wagt einen kurzen Blick auf die Bildschirme: tiefrote Minuswerte. Und sie rauschen immer weiter runter. Schon ertönt der Gong. Der Handel wird für den Rest des Tages ausgesetzt, heißt es. Nach nicht einmal 20 Minuten. „Das dürfte der kürzeste Handelstag in der Börsengeschichte“, sagt Lu später erschöpft. Aber er ist froh über den Handelsstopp. „Sonst hätte ich diesen Tag nicht überlebt.“

Den vierten Tag in Folge geht es auf den chinesischen Aktienmärkten panikartig zu. Nachdem der Index CSI 300 mit Chinas wichtigsten börsennotierten Unternehmen am frühen Donnerstag in den ersten 13 Handelsminuten um 5 Prozent absackte, wurde der Handel automatisch für 15 Minuten unterbrochen. Die Wiederaufnahme dauerte nur 2 Minuten, dann lag der Markt um 7 Prozent im Minus. Die Börsenaufsicht beendete umgehend den Handel.

Diese Regel gibt es erst seit Anfang des Jahres – prompt musste sie am ersten Handelstag schon angewendet werden. Drei Tage später kommt dieser Schutzmechanismus nun zum zweiten Mal zum Tragen.

„Wir erleben den totalen Ausverkauf“, sagt Chefvolkswirt Yu Fengwei von der Agricultural Bank of China (ABC). Ursache seien die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, Nordkoreas jüngster Atombombentest, aber auch Chinas allgemein unsichere wirtschaftliche Lage und die damit einhergehende Kapitalflucht.

Im Sommer 2015 gab es bereits mehrfach heftige Turbulenzen an den chinesischen Aktienmärkten. Daraufhin untersagte die chinesische Führung allen Anlegern, die an einem Unternehmen mehr als 5 Prozent Anteile besitzen, den Verkauf. Dieses Verbot wurde am Donnerstag aufgehoben. Nun wollen viele ihre Ramschpapiere loswerden.

US-Starinvestor George Soros fühlt sich an die große Finanzkrise von 2008 erinnert. Damals zog der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers die ganze Weltwirtschaft in Mitleidenschaft. „Anleger weltweit müssen jetzt sehr vorsichtig sein“, warnt er.

Ganz so dramatisch sei es noch nicht, beruhigt der chinesische Ökonom Yu. Denn Chinas Aktienmärkte würden wegen der ständigen staatlichen Interventionen eigenen Gesetzen folgen. Die Kurs entwickelten sich nach wie vor weitgehend abgekoppelt von der Realwirtschaft. Ein Großteil der Bevölkerung würde daher die Finger von chinesischen Aktien lassen. Selbst Anleger, die es wagen würden zu investieren, betrachteten den heimischen Markt nicht so sehr als langfristige Anlagemöglichkeit, sondern als ein Kasino.

Trotzdem gibt auch Yu zu: „Die wirtschaftliche Stimmung in China ist äußerst angespannt.“ Kaum einer glaube, dass es derzeit noch ein Wirtschaftswachstum von 7 Prozent gebe, wie offiziell behauptet wird.

„Anleger weltweit müssten jetzt ­vorsichtig sein“

US-Starinvestor George Soros

Vor übertriebener Panik warnen Ökonomen hingegen bei der angeblich all zu drastischen Abwertung des Yuan. Die chinesische Landeswährung fiel auf den tiefsten Stand gegenüber dem US-Dollar seit 2010. Schon ist von einem „neuen Währungskrieg“ die Rede. China wolle über die Abwertung den heimischen Exporteuren helfen, lautet der Vorwurf vor allem aus den Vereinigten Staaten.

Long Chen, Analyst des Beratungsinstituts Draegonomics, wiegelt ab. Der Wechselkurs spiegele die realwirtschaftlichen Verhältnisse wider. Chinas Aussichten seien schlecht, die der USA robust.

Gesellschaft + Kultur

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