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Das Opfer

NACHRUF II Der Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter kündigt an, sich gegen die achtjährige Sperre zu wehren. Ein aussichtsloser Kampf

von Johannes Kopp

„Nach 40 Jahren kann es nicht sein, dass man die Probleme so löst“, erklärte Sepp Blatter. Der suspendierte Fifa-Präsident war sichtlich gezeichnet, als er am Montagmittag in einem Züricher Hotel auf einer selbst organisierten Pressekonferenz Stellung nahm zum neuesten Urteil der Fifa-Ethikkommission. Das Pflaster unter seinem rechten Auge und die Bartstoppeln verstärkten nur den angeschlagenen Eindruck, den er machte. „Sehr traurig“ sei er gewesen, bekannte er, als er am Morgen von seiner achtjährigen Sperre erfuhr. Zudem soll er ein Bußgeld von 50.000 Franken bezahlen.

In den vier Jahrzehnten, in denen der Schweizer im Fußballweltverband arbeitete, löste man die Probleme stets ohne großes Tamtam in einem geschlossenen Kreis. Wie in einer Familie, das war ein gern bemühter Vergleich von Blatter. Dass eine Instanz, die er auch noch selbst geschaffen hat, einmal über ihm stehen könnte, das will der 79-Jährige bis heute nicht wahrhaben.

„Ich werde für die Gerechtigkeit kämpfen“, erklärte er und kündigte an, alle juristischen Möglichkeiten auszuschöpfen. Er werde beim Fifa-Berufungskomitee und beim Internationalen Sportgerichtshof CAS Einspruch einlegen und gegebenenfalls auch ein Schweizer Zivilgericht anrufen. Und er versprach, er werde im Februar den Kongress in Zürich leiten, wenn es darum geht, einen neuen Präsidenten zu wählen. Es ist das letzte verzweifelte Aufbegehren eines Mannes, der sein Lebenswerk retten will. Ein Kampf, von dem nur er nicht weiß, dass er aussichtslos ist.

Und so hielt Blatter bei seiner Abschiedsvorstellung noch einmal eine erstaunliche Lehrstunde darüber ab, was aus seiner Sicht rechtens und nicht rechtens ist. Dem Fifa-Ethikkomitee etwa sprach er die Legitimität ab, überhaupt über ihn zu richten. Nur der Kongress könne ihn absetzten, erklärte er. Das Urteil vom Montag bezeichnete er als „Schande“.

„Blatter hielt bei seiner Abschiedsvorstellung noch einmal eine erstaunliche Lehrstunde darüber ab, was aus seiner Sicht rechtens und nicht rechtens ist

Insbesondere seine Sicht auf die Ethikregularien waren ein letzter Offenbarungseid seines Amtsverständnisses. Lediglich ein administrativer Fehler seien die fehlenden schriftlichen Vermerke über die im Jahre 2011 getätigte Fifa-Honorarzahlung von 2 Millionen Schweizer Franken an den damaligen Uefa-Chef Michel Platini gewesen. Mit ethischen Fragen habe dies nichts zu tun. Eine mündliche Vereinbarung sei das damals eben gewesen. Mit einem Stimmenkauf für die Präsidentschaftswahl 2011 habe das Geld nichts zu tun. Die über viele Jahre verspätete Auszahlung habe wiederum nur mit der klammen Finanzlage der Fifa zu Zeiten der Beratertätigkeit von Platini (1999–2002) zu tun.

Und Sepp Blatter erstaunte vor allem mit seiner Erklärung, Ethikregularien seien eher etwas für Spieler und Trainer. Bereits das Zustandekommen seiner provisorischen 90-Tage-Sperre hätte gezeigt, dass „irgendetwas im System falsch läuft“.

Der einstige Sonnenkönig des Fußballs betrachtet die Vorgänge der vergangenen Monate insbesondere als Kampagne, die gegen ihn persönlich gerichtet ist. „Ich muss mich wirklich entschuldigen“, sagte er zu Beginn der Pressekonferenz, „dass ich immer noch eine Art Boxsack bin.“ Blatter fühlt sich als Opfer, der für die Sünden anderer büßen muss.

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