EU diskutiert über Globalisierungsfonds

Bei ihrem Gipfel im britischen Hampton Court wollen die 25 Staats- und Regierungschefs sich Gedanken über die Zukunft des sozialen Europa machen und vielleicht einen Extrageldtopf für die Minderung der Folgen der Liberalisierung bereitstellen

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Tony Blair scheint seine sechsmonatige Ratspräsidentschaft unter das Sprichwort „haste makes waste“ (Eile mit Weile) stellen zu wollen. Während sich unerledigte Probleme wie die Verfassungsfrage, die Finanz-planung und die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik in Brüssel aufstapeln, zieht er sich heute mit seinen 24 Amtskollegen in die philosophische Stille des Schlosses Hampton Court zurück. „Ich hoffe, der historische Hintergrund wird einen freundschaftlichen Rahmen für unsere Gespräche schaffen“, schieb er im Einladungsbrief.

Auf der Tagesordnung steht keine der drängenden europapolitischen Fragen, sondern nur das zu ausschweifenden Erörterungen einladende Thema „Chancen und Herausforderungen der Globalisierung.“ Ergreift jeder Teilnehmer auch nur fünf Minuten das Wort, ist die Zeit bis zum Mittagessen schon um. Die Öffentlichkeit wird ohnehin nicht viel von den Gesprächen mitbekommen, denn ein schriftliches Protokoll, wie sonst bei Gipfeltreffen üblich, wird es nicht geben.

Mit einem 15-seitigen Diskussionspapier hat sich die Barroso-Kommission nach langer Sendepause kurz vor dem Gipfel zurückgemeldet. Leider hat der Kommissionschef das aus London vorgegebene Thema ziemlich verfehlt. Statt von den Chancen der Globalisierung ist länglich von den bekannten Problemen die Rede: Arbeitslosigkeit, Überalterung, geringes Wachstum, die Konkurrenz aus Asien.

Für alle Mitgliedsstaaten sei die soziale Marktwirtschaft mit einem starken öffentlichen Sektor und gleichberechtigter Partnerschaft von Staat, Arbeitgebern und Gewerkschaften ein unverzichtbares Element, behauptet Barroso. Den Beleg, dass jedes Mitgliedsland darunter etwas anderes versteht, liefert er gleich selber nach. Litauen, Lettland und Irland geben 15 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für soziale Sicherungssysteme aus, Frankreich und Schweden das Doppelte. Bemerkenswert ist, dass Großbritannien mit einer Quote von 27 Prozent keineswegs zu den neoliberalen EU-Staaten gerechnet werden kann.

Deutlich kürzer als die Problemanalyse fällt die Liste mit Reformvorschlägen aus. Sie beginnt mit der im Parlament blockierten Dienstleistungsrichtlinie und setzt sich mit dem ebenfalls auf Eis liegenden Gemeinschaftspatent fort. Die freiwillige Koordinierung der Wachstums- und Beschäftigungsprogramme der Mitgliedsstaaten gibt es schon – allerdings hat sie bislang außer bedrucktem Papier nicht viel erbracht.

Bleibt als einzige Neuerung die Idee eines „Globalisierungsfonds“ übrig, der die sozialen Folgen der Liberalisierung abdämpfen soll. Als Parallele kommt leider zuerst der Katastrophenfonds in den Sinn – was von den Kommunikationsstrategen der Kommission bestimmt nicht beabsichtigt war. Vielleicht ließe sich Frankreich für ein solches Projekt erwärmen. Den meisten anderen dürfte nicht daran gelegen sein, die Globalisierung als Katastrophe darzustellen, die durch Entschädigungen abgefedert werden muss.

Blair will in Hampton Court das leidige Thema Geld vermeiden. Doch er lässt seinen Botschafter in Berlin, Sir Peter Torry, schon mal halblaut verkünden, beim Britenrabatt seien die Insulaner gesprächsbereit. Im Gegenzug müsse 2009 die Agrarpolitik umgekrempelt werden. Dieser Vorschlag entspricht im Wesentlichen dem Kompromisspaket, das Jean-Claude Juncker im Juni geschnürt hatte. Schon damals hatte der Europaprofi verbittert prophezeit, am Ende werde man sich in der Finanzfrage nur wenige Millimeter weiter wiedertreffen. Auch hierfür haben die Briten einen Spruch parat: „A golden key can open any door“, zu Deutsch: Geld regiert die Welt.