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Marokko hat den Hamburger Arabic Cup in Niendorf gewonnen. Und ich war dabeiDer arabische Kick

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

In diesen Tagen stehe ich öfter vor der Frage, mit welcher Bezeichnung ich meinen nicht vorhandenen Migrationshintergrund zum Ausdruck bringen kann. Bin ich ein Herkunftsdeutscher, ein Bio-Deutscher, ein Alt-Deutscher oder ein Deutschstämmiger? Ich sage mal ohne sprachkritischen Hintergedanken, welche Bezeichnung mir am liebsten wäre, nämlich: Weißbrot. Ich finde, ich bin ein deutsches Weißbrot und die keine deutschen Weißbrote sind, sind Menschen mit Migrationshintergrund.

Letztere trafen sich am dritten Advent in der Niendorfer Sporthalle am Sachsenweg, um den Hamburger Arabic Cup im Hallenfußball auszuspielen. Anwesend waren Teams aus Ägypten, Algerien, Tunesien, Marokko, Syrien, Palästina, Libyen und dem Libanon. Außerdem gab es ein gemischtes Team namens Arabische Mannschaft.

Ich sah das Halbfinale zwischen Syrien und Libanon. Die Syrer wurden unterstützt durch Sprechchöre und Djembe-Getrommel, hatten aber Trikots ohne Schriftzug. Das Team aus Libanon hatte Libanon-Trikots in den Nationalfarben und ging konzentriert zur Sache. Am Spielfeldrand saß ein Ägypter, der das Spiel mit Mikrofon über die Hallenlautsprecher auf Arabisch kommentierte. Das Spiel dauerte zehn Minuten und am Ende gewann Libanon.

Es hat mich nicht gewundert, dass ich in der Halle nur noch zwei andere Weißbrote sah. Eines davon war eine Nachbarin, deren marokkanischer Lebensgefährte beim Turnier beteiligt war. Das andere Weißbrot war ein älterer Herr, der beim Kuchenstand fragte, wo er die Klamotten abgeben könnte, die er für die Flüchtlinge spenden wollte.

Überraschend war für mich, dass auch ein Fußballtrikot ein Gebetsteppich sein kann. Jedenfalls kniete ein Spieler in einer ruhigen Ecke auf seinem Trikot und betete. Eine ähnliche Szenerie sah ich zuletzt 2010 beim Aufstieg des FC St. Pauli in die Bundesliga: Da kniete ein Weißbrot auf einem St. Pauli-Trikot und betete zu dem Kollegen, der die nächste Rutsche Astra brachte.

Leider gab es beim Turnier-Kiosk nicht Falafel und Baklava, sondern Kuchen von Dr. Oetker und Twix. Dafür habe ich einen ägyptischen Kommentator erlebt, der deutlich schneller quatschen konnte als jeder Weißbrot-Kommentator. Die Mikrofonanlage verzerrte, wenn er in Fahrt kam. Das Finale gewann übrigens Marokko gegen Libanon mit 4:1.

Am heutigen Montag wird in Niendorf wieder Fußball mit Migrationshintergrund gespielt, heute hat die Erste Seniorenmannschaft des Niendorfer TSV ein Turnier organisiert, bei dem zwei Mannschaften aus den Flüchtlingsunterkünften dabei sind. Vermutlich sind die Flüchtlingsmannschaften multinational und auch die Niendorfer Senioren kein reines Weißbrot-Team. Über das kulinarische Angebot ist nichts bekannt. Aber eine Tombola soll es geben.

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