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„Nur um zu schocken?“

COMEDY Die Videos des indischstämmigen US-Komikers Hari Kondabolu sind ein Hit im Netz. Nun tritt er in Berlin auf

Interview Jacinta Nandi

Aufgrund eines Satzes, der sich im Netz viral verbreitete, wurde er berühmtZu behaupten, ich sei besessen von Race und Rassismus in Amerika, das ist so was, wie zu behaupten, ich sei besessen vom Schwimmen, während ich ertrinke“, sagte Hari Kondabolu, indischstämmiger US-Comedian, und löste weltweit viele Reaktionen aus. Jetzt kommt er für einen Auftritt in der Werkstatt der Kulturen nach Berlin.

taz: Hari, Sie geben Ihren ersten Auftritt in Deutschland. Viele Deutsche haben eine zwanghafte Abneigung gegenüber Political Correctness. Wie stehen Sie dazu?

Hari Kondabolu: Mir gefällt, was der britische Komiker Stewart Lee zu diesem Thema mal gesagt hat. Er sagte, es handele sich mehr oder weniger um institutionalisierte Höflichkeit. Ich mag es nicht, wenn Political Correctness in dem Sinne benutzt wird, dass man gewisse Ansichten versteckt – also dass man etwas sagt, nur um sich ja politisch korrekt auszudrücken.

Ich habe das Gefühl, Deutsche sagen oft Sachen, gerade weil sie politisch inkorrekt sind.

Was? Nur um zu schocken?

Um cool zu sein, denke ich.

Wenn man etwas sagt und schon weiß, dass es ziemlich böse ist, ist es etwas anderes. Es kommt auf den Kontext an: Wenn du in deinem engen Freundeskreis in einem geschlossenen Raum bist und allen ist klar, wie etwas gemeint ist, ist es eine andere Sache, als wenn du etwas in der Öffentlichkeit sagst. Dann kannst du nicht erwarten, dass alle wissen, was du wirklich meinst.

Muss man denn immer auf ­Political Correctness achten?

Was man berücksichtigen sollte: Die Mitglieder bestimmter unterdrückter Gruppen müssen sich dieses Zeug jeden Tag anhören. Das kann einen fertig machen. Du fühlst dich ständig, als ob du weniger Wert wärst als andere Menschen. Wenn man also aus Ignoranz blöde Äußerungen von sich gibt oder weil man schockieren will – dann ist das erschöpfend.

Erschöpfend?

Ja. Die Menschen lachen über Leute, die sich über Microagressions (kleine beleidigende Äußerungen; Anmerkung der Redaktion) beschweren – aber es geht nicht nur um einen Kommentar oder eine Beleidigung. Es ist ein Tod auf Raten, der von zahlreichen kleinen Schnittwunden verursacht wird.

Nun ist es Ihre Aufgabe, die Leute zum Lachen und Nachdenken zugleich zu bringen. Hier in Deutschland wird Comedy oft nur als Unterhaltung verstanden – man denke an den Entertainer Mario Barth. Worin sehen Sie die Aufgabe von Comedy?

Alle Medien, jegliche Kultur und Kunst hat die Möglichkeit, die Menschen zu beeinflussen. Ich verstehe Comedy als Kunst. Das heißt nicht, dass es in ihr keinen Platz für Unterhaltung und Albernheit gibt. Ich finde, Comedy sollte mehr sein als bloß Unterhaltung: Sie kann Möglichkeiten eröffnen, Themen in einer neuen Art und Weise zu diskutieren. Die Leute, die zuhören, sind open-minded genug für neue Ideen, sie sind nicht festgelegt in ihrer Weltanschauung. Das Lachen erlaubt einem, neue Vorstellungen zu entwickeln. Man kann sich ein Bild von der Zukunft machen. Der Comedian kann dies erreichen, ohne wie ein Politiker oder ein Aktivist zu klingen.

Hari Kondabolu

Jahrgang 1982, ist ein US-Stand-up-Comedian mit indischen Wurzeln, der in New York aufwuchs und während seiner Universitätszeit begann als Comedian zu arbeiten. In den Staaten ist er für seine politische Comedy bekannt. Sein Programm „Waiting for 2042“ führt er nun in der Werkstatt der Kulturen (heute, 20 Uhr) auf. Es trägt den Titel, weil 2042 das Jahr ist, in dem die weiße Menschen in den USA in der Minderheit sein würden, wenn die demografische Entwicklung sich fortsetzte.

Aber Sie sind sehr politisch.

Meine Sicht der Dinge ist politisch. Die Leute fragen mich manchmal: Warum bist du ein politischer Komiker? Das bin ich nicht. Ich bin ein politischer Mensch! Als Komiker habe ich keine Agenda, abgesehen davon, die Menschen zum Lachen zu bringen.

Wer sind Ihre größten Comedy-Helden?

Margaret Cho. Ich habe sie im Fernsehen gesehen habe, als ich 14 Jahre alt war. Meine Mom war großer Fan von ihr. Für mich war es das erste Mal, dass ich jemanden gesehen habe, der Comedy macht und weder schwarz noch weiß noch Latina ist. Ich fühlte mich ihr sehr nah, sie hat mich wirklich inspiriert. Im Moment ist es der britische Komiker Stewart Lee – es gefällt mir, was er inhaltlich und auch technisch macht.

Mitarbeit: Fabian Wolff

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