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Trash, Porno und Kloppe

BESINNUNGS-LOS Die Reihe „Bizarre Cinema“ im Hamburger Metropolis bietet in dieser Woche ein betont unweihnachtliches Programm

Die Gaben dieses Mannes sind wirklich alles andere als festlich: Jack Stevenson sammelt amerikanische Filme, denen gemeinsam ist, dass sie möglichst drastisch gegen den guten Geschmack verstoßen. Seit den frühen 80er-Jahren sucht er nach Kopien, vor allem in dreckigen kleinen Läden im Rotlichtviertel von San Francisco. Diese Erzeugnisse, denen außer ihm kaum noch irgendwer irgendeinen kulturellen Wert zusprechen wollte, stellt er seit den 90er-Jahren als Kurzfilmprogramme auf verschiedenen Festivals und in Kinos auf der ganzen Welt vor.

Inzwischen lebt Stevenson in Kopenhagen und hat mit „Land of a Thousand Balconies“ ein unterhaltsames Buch über seine Leidenschaft geschrieben. Seine Sammlung sei „ein Chaos“, hat er dem Guardian gesagt. „Ich spiele bei meinen Veranstaltungen die Original-Filmrollen ab und lagere sie nicht in temperierten Stahlkammern. Was ich an ordentlichen Archiven hasse, ist, dass sie die Filme aufbewahren, oft sogar tief einfrieren, aber nie zeigen. Mir ist das edle Erbe des Kinos egal. Mit ist egal, ob meine Filme erhalten bleiben werden, wenn ich tot bin.“

Eine seiner in diesem Sinne chaotischen Kurzfilmkompilationen zeigt Stevenson am Freitag im Hamburger Metropolis-Kino Metropolis unter dem Titel „Jack Stevenson’s fucked-up Christmas“. Vorgeführt wird auf 16mm, in den Zeiten des digitalen Kinos ein Anachronismus – aber genau das macht ja auch den Reiz aus. So wie der „Wundertüten-Effekt“, dass also das Publikum nie weiß, was Stevenson mitbringt; versprochen werden nun „Propaganda, Popkultur, Porno, Kunst und Trash“.

Als Nachschlag zeigt Stevenson später am Abend ein typisches „Midnight Movie“: John Waters’„Female Trouble“ war nach dem skandalösen „Pink Flamingos“ der zweite lange Spielfilm des Regisseurs. Travestiekünstler*in Divine spielt darin den Teenager Dawn Davenport: Die hat sich Tanzschuhe mit Absatz gewünscht – und stürmt wütend aus dem Haus, als unter dem Weihnachtsbaum nur schnöde Pantoffeln liegen. Auf der Straße wird sie vergewaltigt, und das sozusagen durch sich selbst: Divine spielt auch den Täter. Hauptdarsteller*in und Regisseur brechen in dem Film von 1974 lustvoll so viele Tabus wie nur möglich. Und sind dabei so radikal und witzig wie danach nie wieder.

Am Sonntag zeigt die Reihe „Bizarre Cinema“ dann Phil Karlsons „Walking Tall“ (1973): Held dieses Actionfilms ist ein Haudegen, der ständig Leute verprügelt und also Sheriff in einem Südstaaten-Kaff wird. Er wirkt wie ein humorfreier Bud- Spencer-Film, war aber in den USA ein Kassenerfolg, der sogar drei Fortsetzungen nach sich zog. HIP

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