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Die Geschenk-Schmiedin

Kunsthandwerk Die Goldschmiedin Christina Mihalic, Inhaberin des Bremer „Schmuck Werk“, hat sich nicht nur ein gemütliches, Wohnzimmer-artiges Werkstatt-Ladenlokal geschaffen. Sie schmiedet (und repariert) auch individuellen Schmuck auf Kundenwunsch und genießt auch nach 15 Jahren noch jeden einzelnen Arbeitsschritt

Kunst-Handwerkerin: Goldschmiedin Christina Mihalic  Foto: Vanessa Ranft

Von Vanessa Ranft

Draußen haben sich die Wolken zu tief grauen Schatten zusammengezogen und es beginnt zu regnen. Erst leise, dann immer stärker, und schließlich fallen die Tropfen dicht, wie ein Vorhang, vom Himmel. Drinnen, bei Goldschmiedin Christina Mihalic, ist das kaum spürbar: Die Stimmung in ihrem Laden „Schmuck Werk“ im Bremer Ostertor ist ruhig, das Licht warm. „Ich sage immer, das hier ist mein Wohnzimmer“, erzählt die Goldschmiedin, „hier halte ich mich den ganzen Tag auf, und hier im Viertel habe ich viele Kontakte, die auch einfach mal zum Schnacken vorbeikommen.“

Ihr Schmuck ist hochwertig, schlicht und extravagant. Seine Formen klar und schnörkellos, damit die Edelsteine gut zur Geltung kommen. Viele Stücke fertigt sie eigens auf Wunsch des Kunden an oder arbeitet Vorhandenes um. Am wichtigsten ist ihr dabei immer die Individualität des Schmuckträgers. Andere Exemplare wiederum entwirft sie aus Freude am kreativen Umgang mit dem Handwerk und den verschiedenen Edelmetallen. Mal fertigt sie Einzelstücke, dann wieder ganze Kleinserien. Ihre kunstvoll geschmiedeten Armreifen, Ringe und Ketten präsentiert sie in gläsernen Vitrinen und auf samtigen Schmuckkissen.

Gerade arbeitet sie an einem goldenen Ring, den ein glatt geschliffener Edelstein ziert – blaugrün wie das Meer. Der Stein sitzt noch viel zu locker, darum greift sie zu einem kleinen Hammer und einer sogenannten Fasserpunze – einem länglichen Stück Werkzeugstahl. Mit sanften Schlägen auf die Punze verformt sie das Metall und bringt es dem Stein näher, bis es ihn fest einfasst. Die kleinen Einkerbungen, die die Punze hinterlässt, bearbeitet sie anschließend mit der Feile, sodass die Fassung am Ende eine glatte, leicht abgerundete Oberfläche hat.

Seit 15 Jahren schon führt Christina Mihalic ihren Laden in Eigenregie. „Eigentlich wollte ich nur eine Werkstatt, aber dann sah ich diesen Laden, mit den schönen großen Schaufenstern“, sagt sie und blickt sich strahlend um: Im rechten Teil ihres Ladens ist die Werkstatt, im linken Teil befindet sich eine Art Verkaufsraum. Dort stehen ein rostrotes, altes Stoffsofa und ein roter Hocker. Auf dem dunklen Holzboden ist ein roter Teppich ausgerollt, an der Decke hängt ein antiker, goldener Kronleuchter und an den Wänden einfarbige Leinwände mit einem goldenen Quadrat im Mittelpunkt.

Die Wände sind gekalkt und in mediterranen Farben gestrichen. Stellenweise werden sie von rotem Backstein durchbrochen, und auch der Übergang zwischen beiden Räumen entstand aus einem Durchbruch. Gestaltet hat sie die Räume eigenhändig. Urgemütlich sind sie geworden, heimelig und edel zugleich. Eben ganz wie das Handwerk selbst, dass einerseits sehr traditionell ist und andererseits hochwertigen Schmuck hervorbringt.

Angestellte und Lehrlinge hat die Goldschmiedin übrigens keine, denn dafür sei die Räumlichkeit zu klein und zu privat, sagt sie. Hin und wieder arbeitet sie allerdings gern in Gesellschaft. Und deshalb bietet sie für einen festen Kreis an Hobby-Goldschmieden Workshops, öffnet im Rahmen der Veranstaltung „Kunstwerk im Viertel“ einmal im Jahr ihre Ladentüren, um Interessierten ihr Handwerk nahezubringen und schmiedet an manchen Wochenenden gemeinsam mit einem Brautpaar dessen Trauringe. „Das ist eine ganz romantische Angelegenheit“, schwärmt Christina Mihalic. Bei einem Gläschen Prosecco kann das Paar unter Anleitung der Goldschmiedin seine eigenen Ringe fertigen und sie anschließend eigenhändig gravieren.

Seit ihrem 18. Lebensjahr übt sie das jahrhundertealte Kunsthandwerk schon aus. Damals begann sie ihre Ausbildung in einer Goldschmiedeschule, lernte dort zwei Jahre und anschließend ein weiteres Jahr in einem Betrieb. Heute ist Christina Mihalic 45 Jahre alt, und ihr ist anzumerken, wie viel Freude ihr dieser kreative Beruf bereitet: Das Entwerfen der Schmuckstücke erfreut sie ebenso wie das Walzen der Metalle, das Schmirgeln, das Löten und die Auswahl der Edelsteine.

„Zweimal im Jahr kommen meine Edelsteinlieferanten und präsentieren mir ihre Ware“, sagt sie, „meistens kaufe ich einfach die Steine, die ich schön finde, aber manchmal habe ich auch schon eine Idee, für welches Schmuckwerk ich sie verwenden kann.“ Besonders gut gefielen ihr farbige, leuchtende Steine, sagt sie. Denn die wirkten in ihren Fassungen später nochmal ganz anders. Die Schmiedin selbst trägt übrigens einen selbst geschmiedeten, goldgelben Ring mit einem roten, glatt geschliffenen Edelstein, dessen Fassung ein wenig über die eigentliche Ringbreite hinausgeht.

Inzwischen ist sie dabei, einen Ring zu schließen. Dafür setzt sie ihn mit einem brennenden Lötrohr in der rechten Hand in Flammen und führt mit der linken Hand ganz langsam ein Stück Metall an das Schmuckstück heran. Mit einem Schlauch pustet sie Sauerstoff in das Feuer, damit die Flamme mehr Kraft hat. Gleichzeitig erhöht sie die Temperatur, sodass Silber und Metall miteinander verschmelzen können. Anschließend schreckt sie den Fingerring im Wasserbad ab, schmiedet ihn rund und feilt ihn ins Profil.

Das Gekrätz, also die Metallspäne, die beim Sägen, Schleifen und Feilen herunterfallen, fängt sie in einem sogenannten Fell auf. Das ist ein Stück Leder, das unter den bauchigen Ausschnitt ihres Werktisches gespannt ist. „In zwei Jahren sind das allein drei bis vier Kilo Silber, die da zusammenkommen“, erzählt Christina Mihalic und fügt mit einem Lachen hinzu, „das ist allerhand.“

Die so gesammelten Reste füllt sie regelmäßig in eine kleine Plastikbox, ähnlich einer Brotdose, und schickt sie an eine Scheideanstalt. Dort werden die verschiedenen Edelmetalle wieder voneinander getrennt. „Das Geld kann ich mir dann entweder auszahlen oder auf meinem Metallkonto gutschreiben lassen“, erklärt die Goldschmiedin. Und später könne sie davon wieder neue Ware beziehen.

Christina Mihalic sitzt auf einem Drehstuhl hinter ihrem Werktisch; ihrem liebsten Platz innerhalb ihres Ladens. Hier fühlt sie sich am wohlsten – trinkt Kaffee, führt Kundengespräche und feilt an ihren Schmuckstücken. Und von hier aus hat sie stets die Ladentür und die großzügigen Schaufenster im Blick, an denen von Zeit zu Zeit Passanten verweilen und einen Blick auf ihre Kreationen und in ihr „Wohnzimmer“ werfen.

Schmuck Werk, Weberstraße 37, 28203 Bremen. www.schmuckwerk-bremen.com

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