LeserInnenbriefe
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Des Kriegsgotts Fahne glüht

betr.: „Mehr als Kriegsfuror und Thrill“, taz vom 25. 11. 15

Markus Jochs Beitrag zum Kriegsfuror, vorrangig zu Heinrich und Thomas Mann zum Ersten Weltkrieg, kann ich gut zustimmen, auch was die Bewertung von Musil betrifft.

Anders sieht es mit seinem Urteil über Hermann Hesse aus. Keineswegs war Hesse 1914 und in den Folgejahren Pazifist – das aber meinte seinerzeit der damalige Journalist Theodor Heuss, wenn er über Hesse sagt, dass er in dem „unverdorbenen Wohllaut seiner Sprache bestes altes deutsches Gut gefasst hat und dass er auch, indem er sich nicht auf das Besingen des Krieges warf, sondern keusch und ehrlich in den Grenzen seiner Natur blieb, mitten im Krieg am reinsten unverdorbene Kunst schuf …“ (Neckarzeitung, 1. 11. 1915).

Nein, Hesse hat sich schon sehr in den Kriegsfuror eingebracht, wenn auch aus höheren und „keuschen“ Gründen. Zwar hat Hesse in der Tat in Pressebeiträgen, speziell in der Neuen Zürcher Zeitung, für ein breites öffentliches Publikum gegen den ordinären Krieg geschrieben, für sein eigenes Dichterlesepublikum aber fein erdachtes höheres Lob von Gewalt, Kampf und Krieg als innerer Bewegung hin zu neuem, intensiverem Leben verfasst. Ich zitiere aus seinem Gedicht „Der Künstler an die Krieger“, im Herbst 1914 geschrieben, am 9. 1. 1915 im Tag erschienen:

„Heute nun, da die Geschütze krachen, / Fast vergess’nen Kriegsgotts Fahne glüht, / Seh’ ich Brüder, die mich sonst verlachen, / Froh zum Heldensinne aufgeblüht. / […]

Manchem, dem vor kleinstem Abgrund graute, / Blicken jetzt die Augen schicksalshell, / Weil er hundertmal den Tod erschaute, / Fließt ihm tiefer nun des Lebens Quell.“

Und selbst 1918/19 hat Hesse in der Schlusspassage seines Romans „Demian“ als zentrale Auskunft über den Krieg preisend „Lebende und Sterbende, sich dem Schicksalswillen kraftvoll nähern(d)“ gerühmt. „Mochten diese glauben und meinen, was immer (!) sie wollten – sie waren bereit (!), sie waren brauchbar (!), aus ihnen würde sich Zukunft formen lassen.“ Hesse sieht in ihnen, dem Expressionismus verwandt, die neuen Menschen der „Urgefühle“, welche „rasen und töten, vernichten und sterben“ wollten, „um neu geboren werden zu können. Es kämpfte sich ein Riesenvogel aus dem Ei, und das Ei war die Welt, und die Welt musste in Trümmer gehen.“ So Hesse.HARTMUT HOEFER, Osnabrück

Ausgerechnet Agnostik!

betr.: „Ein Dichter macht es sich leicht“, taz vom 28./29. 11. 15

Ein Rezensent macht es sich leichter (und seichter?): Zunächst zweifelt Eberhard Geisler Raoul Schrotts Angaben zu dessen Quellen an. Fazit: Dieser Dichter ist nicht glaubwürdig.

Dann untermauert der Rezensent seine Aussage über Schrotts Unglaubwürdigkeit damit, dass er nach vergiftetem Lob Schrotts vielbeachtete Feststellung über Homers möglichen Lebensmittelpunkt Assyrien glaubt entwerten zu können, indem er andeutet, Schrott spräche (nur) die Sprachen des Gälischen und Provenzalischen. Fazit: Dieser Dichter hat keine Substanz.

Im Weiteren erhebt sich der Rezensent zum Präzeptor der Kunst des Reimens, die er Herrn Schrott völlig abspricht. Fazit: Noch nicht einmal reimen kann dieser „Dichter“. Die Katze aus dem Sack lässt der Rezensent, wenn er zum endvernichtenden Schlag ausholt: Der Raoul Schrott ist nur ein „durchschnittlicher Intellektueller“, weil er den Theologen nicht das Wasser reichen und die Tiefe derer Theologie nicht fassen kann. („Ich, Geisler, habe Katalanisch und Theologie studieret …“) Zum Schluss präsentiert der Rezensent sein wahres Anliegen: Seine Überlegenheit in Sprache und Weltsicht darzustellen. Leider passiert ihm das intellektuelle Missgeschick, die Wischiwaschiweltsicht namens Agnostik für eine qualitativ höherwertigere Weltsicht einzuschätzen, als es eine klar atheistisch oder klar religiös formulierte Weltsicht sei. Ausgerechnet Agnostik! Fazit: Hier wollte wohl ein älterer Herr seine spezifischen Kenntnisse, Neigungen und Erfahrungen nutzen, um sie einem jüngeren Manne, den er, aus welchem Grund auch immer, nicht leiden kann, um die Ohren zu hauen. EBERHARD HIRSCHLER, Speyer