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Archiv-Artikel

Bush zieht seine Kandidatin zurück

Unter starkem Druck der christlichen Rechten nimmt der US-Präsident von der Nominierung Harriet Miers’ für den Obersten Gerichtshof Abstand. Aus allen Fraktionen war ihre mangelnde Qualifikation kritisiert worden. Jetzt muss Bush neu sortieren

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Die von US-Präsident George W. Bush für den Obersten Gerichtshof vorgeschlagene Juristin Harriet Miers hat gestern auf das Richteramt verzichtet. Zuvor hatte es aus allen Richtungen Kritik an der Bush-Vertrauten und Leiterin der Rechtsabteilung des Weißen Hauses gegeben. Ihre Verzichtserklärung gab Miers bekannt, nachdem in den letzten Tagen konservative Gegner wissen ließen, dass sie Miers mit Aufrufen auf zwei Webseiten und Radio- und TV-Spots zum Verzicht drängen wollten.

Selbst mehrere republikanische Senatoren kritisierten, dass Bush keinen als stramm konservativ bekannten Juristen für die Nachfolge der scheidenden – liberalen – Richterin Sandra Day O'Connor vorgeschlagen habe. Täglich hatten in den letzten Wochen Zeitungen über die Zweifel an Miers’ Qualifikationen unter Bush-Unterstützern und oppositionellen Demokraten berichtet. Hauptkritikpunkte sind dass die 60-Jährige lange als Anwältin, aber noch nie als Richterin gearbeitet hat und dass es kaum Hinweise darauf gibt, wie die langjährige Bush-Beraterin in Sachen Abtreibung denkt.

Die für das Weiße Haus unerwartete Aufregung um die Nominierung eskalierte bis Mitte dieser Woche zu einem Streit zwischen Bush und Senatoren beider Parteien. Die verlangten, Dokumente aus dem Weißen Haus ausgehändigt zu bekommen, um sich so ein Bild über Miers’ Arbeit und ihre Fähigkeiten machen zu können. Bush hatte Reportern gesagt, dies verletze sein Recht auf vertrauliche Beratung, Dokumente werde er keinesfalls rausgeben. Daraufhin wurde spekuliert, ob Miers in der bevorstehenden Anhörung im Capitol am 7. November überhaupt Zustimmung erhalten hätte.

Viel Papier war im Zusammenhang mit Bushs alter Vertrauten ausgegraben worden. Die Recherchearbeit der entsetzten Gegner reichte von einer Grundstückskompensation, die Miers’ Familie 1999 vom Staat Texas erhalten haben soll und die etwas üppig ausgefallen war, bis hin zu Bewerbungsunterlagen, die Miers vor einem Jahrzehnt für einen Posten im Stadtrat von Dallas eingereicht hatte, aus denen hervorging, dass sie zwar gegen, aber nicht strikt gegen Abtreibung sei.

Peinlicher Höhepunkt des seit dem vierten Oktober währenden Nominierungstheaters war Miers offenbar schwacher Auftritt vor dem Rechtsausschuss des Kongresses. Ihre Antworten auf einen Fragenkatalog enthielten eine Fehlinterpretation der Verfassung und waren insgesamt so farblos, dass das Komitee sie aufforderte, die Fragen noch einmal zu beantworten. Daraufhin wurden auf den Debattenseiten der Zeitungen ihre intellektuellen Fähigkeiten diskutiert, die nach Meinung der Gegner zu wenig ausgeprägt für dieses höchste – und eben auch politische – Amt am Obersten Gerichtshof seien.

In den Streit um Miers hatten sich nahezu alle einflussreichen konservativen Gruppierungen eingeschaltet. Dabei erhielt sie Unterstützung nur von der Vereinigung „Fokus auf die Familie“ des christlichen Aktivisten James Dobson oder nur formalen Widerstand wie von der Vereinigung „Familienforschungs-Rat“, die ihre Ablehnung von Abtreibungen vereint. Die meisten Gruppierungen der christlichen Rechten jedoch lehnten Harriet Miers ab.

Zahlreiche Kommentatoren meinten am Schluss, dass es nur noch schlimmer würde, je länger Bush und Miers an dieser Nominierung festhielten. Und gemäßigte Konservative hatten sie schließlich abgelehnt, weil sie dem Präsidenten Schaden zugefügt habe.