: Ein Solidarzuschlag für den Staat
Die große Koalition diskutiert eine Abgabe auf Lohn- und Einkommensteuer –nicht alternativ, sondern zusätzlich zur Erhöhung der Mehrwertsteuer
VON HANNES KOCH
Sowohl Union als auch SPD erwägen, eine weitere Abgabe auf die Lohn- und Einkommensteuer zu erheben – zusätzlich zu einer höheren Mehrwertsteuer. Dadurch würde sich die Steuer auf sämtliche Arbeitseinkommen und auch die Unternehmensgewinne erhöhen. „Das ist eine Variante“, heißt es aus Kreisen der SPD-Bundestagsfraktion. Im Zusammenhang mit den Verhandlungen über die große Koalition bestätigten auch Politiker der Union, dass es derartige Überlegungen in der eigenen Partei gebe. Zwar habe man sich im Bundestagswahlkampf für eine niedrigere Einkommensteuer eingesetzt, doch nun müsse „sich auch die Union bewegen“.
Als Basis für ihren Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf festgelegt, das rechnerische Defizit im Bundeshaushalt 2007 im Vergleich zu 2005 um 35 Milliarden Euro zu reduzieren. Knapp 15 Prozent des gesamten Etats in Höhe von rund 255 Milliarden Euro müssen deshalb durch höhere Einnahmen und niedrigere Ausgaben finanziert werden. Sinn der Veranstaltung ist es, das Verschuldungskriterium des europäischen Maastricht-Vertrages wieder einzuhalten und einen verfassungsgemäßen Haushalt aufzustellen, in dem die Verschuldung die Investitionen nicht übersteigt.
Als Vorbild für die Abgabe dient der Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost, der bei allen Steuerpflichtigen erhoben wird. Die Mehrheit der Partei lehne den neuen Staats-Soli zwar ab, heißt es bei der Union. Fraktionsvize Michael Meister hat erklärt, dass es „dahin gehend keine Überlegungen“ gebe. Andere Unionspolitiker sagen hingegen, dass man der SPD irgendetwas anbieten müsse, um deren Zustimmung zur von der Union geforderten höheren Mehrwertsteuer zu erhalten. Der Staats-Soli habe nicht nur den Charme, zu 100 Prozent in den Bundeshaushalt zu fließen, sondern auch „stark progressiven Charakter“. Soll heißen: Wohlhabende zahlen verhältnismäßig mehr als Geringverdiener. Diese Eigenschaft könnte es der SPD erlauben, den sozialen Aspekt in den Vordergrund zu stellen. So hat SPD-Fraktionsvize Joachim Poß betont, dass auch „Bessergestellte“ einen Beitrag zur Gesundung der Staatsfinanzen leisten müssten. Umgekehrt ließe sich der Staats-Soli in der Union sehr viel besser vermitteln als die von der SPD im Wahlprogramm verlangte „Reichensteuer“ – ein Aufschlag auf die Einkommensteuer nur für Spitzenverdiener.
Bei den Koalitionären setzt sich inzwischen die Ansicht durch, dass eine Summe wie 35 Milliarden Euro kaum durch die Kürzung von Ausgaben alleine zu erwirtschaften sei. Gerade der zukünftige SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hat darauf hingewiesen, dass man sich auch dem Einnahmen-Thema zuwenden müsse. Die Verhandler stellen verschiedene Optionen zusammen, aus denen die Spitzen beider Seiten schließlich das ihnen genehme Potpourri basteln. In dem gesamten Prozess gewinnen Steuererhöhungen eine zunehmende Bedeutung.
Das gilt auch für die Mehrwertsteuer. Bei der SPD stellt man sich darauf ein, dass diese Verbrauchssteuer von heute 16 Prozent stufenweise erhöht wird – obwohl das die Einkommen der Konsumenten schmälert und die volkswirtschaftlich wichtige Nachfrage einschränkt. „Das entscheidende Jahr ist 2007“, heißt es. Das könnte bedeuten: ein Prozent mehr Mehrwertsteuer 2006, um den ökonomischen Schaden in Grenzen zu halten, ein weiteres Prozent 2007.
Mit niedrigeren Steuern brauchen auch die großen Unternehmen eher nicht zu rechnen. Der Steuersatz für Kapitalgesellschaften von 25 Prozent könnte zwar 2007 sinken, der Vorteil würde aber durch das Streichen von Steuerschlupflöchern gleich wieder einkassiert. Beim Streichen von Steuersubventionen insgesamt scheint der Mut dagegen nachzulassen. So soll die horrende Förderung der Kohleindustrie des Ruhrgebietes unangetastet bleiben. Nachdem Peer Steinbrück und Roland Koch, Chefverhandler der Union in Sachen Finanzen, 2003 bereits einmal eine Liste zum Subventionsabbau veröffentlicht haben, soll Steinbrück bis kommenden Montag einen zweiten Versuch unternehmen. Gestern erweckte der zukünftige Finanzminister den Eindruck, die Sache im Griff zu haben: „Derjenige, der am Ende weiß, wie es läuft, bin ich.“