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Archiv-Artikel

Pausbacken und kindliche Stirn

HOMMAGE Die Deutsche Kinemathek zeigt im Filmhaus am Potsdamer Platz die Ausstellung „Romy Schneider. Wien – Berlin – Paris“. Die Schau kreist um das verwirrende Wechselspiel von Projektion und aktiver Selbstinszenierung

Aus den Parallelen zwischen ihren Rollen und ihrer Person ist der Mythos Romy Schneider entstanden

VON ELISABETH RAETHER

Die blauen Lichter eines meterhohen Weihnachtsbaums blinken draußen im Hof des Sony-Centers, es riecht nach Zuckerwatte, und Romy Schneider ruft verzweifelt: „Ich fühlte mich wie ein Schmetterling, der vom Licht angezogen in ein Haus fliegt und darin gefangen bleibt.“ Sie ist wieder die Kaiserin von Österreich, diesmal für Luchino Visconti, im Jahr 1972. Sie ist erwachsen geworden, 34 Jahre alt, hat dunkel geschminkte Augen und trägt ein schwarzes Kleid. Das Gesicht hinter einem transparenten Schleier, lacht sie wissend über ein Kompliment, das man ihr macht. Ist das die echte, eigentliche Romy?

Kann sein. So genau weiß man auch nach dem Besuch der Ausstellung in der Deutschen Kinemathek am Potsdamer Platz nicht, wer Romy Schneider wirklich war. Es sind Fotos zu sehen, von Dreharbeiten und Porträts zum Beispiel von F. C. Gundlach und Heinz Köster, Originalkostüme, Ausschnitte aus Schneiders Filmen und Fernsehbeiträgen über sie, Briefe, das Fotoalbum, das sie zur Geburt ihres Sohnes David anlegte, Presseartikel und andere Dokumente. Aber man versteht, dass Romy Schneider eine Frau war, deren Leben über die Jahre immer wieder neu gedeutet wurde. Offenbar hatte sie etwas an sich, dass man in ihr die Verkörperung unterschiedlichster Motive sehen konnte. Mal wehrte sie sich gegen solche Vereinnahmungen, mal nicht.

Als Romy Schneider Mitte der Fünfzigerjahre die Sissi-Trilogie drehte, durch die sie berühmt wurde, sagte Magda Schneider im Spiegel: „Warum springen die Menschen so auf Romy an? Weil sie spüren, dass das hier endlich mal ein Geschöpf ist, das mit dem Dreck der Welt noch nicht in Berührung gekommen ist.“ Das muntere Mädchen mit den Pausbacken und der kindlichen Stirn war wie dafür gemacht, die Deutschen vergessen zu lassen, dass sie ein paar Jahre zuvor an dem Vorhaben gescheitert waren, die Welt in Schutt und Asche zu legen.

Fünfzehn Jahre nach Sissi erschien Romy Schneider in La Piscine selbstbewusst und freizügig. Sie war so selbstverständlich nackt, wie man sich das im Jahr 1969 wünschte. Alain Delon, von dem sie seit einiger Zeit getrennt war, spielte die männliche Hauptrolle. Zum Beginn der Dreharbeiten holte er sie vom Flughafen in Nizza ab, das französische Fernsehen war dabei. Sie sei jetzt nicht mehr das kleine Mädchen, sondern eine richtige Frau, sagte Delon und lächelte hintersinnig, wie nur Franzosen es können. Auf dem Cover des Stern zeigte sie sich oben ohne: „Romy liebt jetzt, wen sie will“, lautete die frivole Titelzeile. In der Bildstrecke ist Romy Schneider zu sehen, wie sie nackt im Meer herumturnt. Ihr Gesicht war ein bisschen schmaler geworden, die Stirn immer noch rund und hoch wie bei einem Kind.

Romy Schneider schien für diesen Narzissmus zu büßen. Zumindest ist das ein weiteres Motiv in der Deutung ihrer Person: eine Frau, die nicht durchschaute, dass ihre Gefallsucht eine typische weibliche war und dass sie genau daran verzweifelte, eine Frau, die Feministinnen gern gerettet hätten. Auf die guten Jahre, in denen sie zwei Césars erhielt, die höchste Auszeichnung des französischen Kinos, folgten die Jahre der „Zerstörung“, wie einer der Räume der Ausstellung benannt ist. Dort wird gezeigt, dass Schneider in den Siebzigerjahren vor allem ausgebeutete, missbrauchte, gedemütigte Frauen spielte. Eine Rolle, die man ihr abnahm. Es war bekannt, dass sie zu viel trank und Tabletten nahm. In „Die Liebe einer Frau“ spielte sie eine Mutter, die den Tod ihrer Tochter betrauert. Ein Jahr später stirbt Schneiders 14-jähriger Sohn David bei einem Unfall.

Aus den Parallelen zwischen ihren Rollen und ihrer Person ist der Mythos Romy Schneider entstanden, aus der Intensität, die sie ihren Figuren verlieh. Auf Schneiders Gesicht haben sich in den zahlreichen Filmen, die sie in ihrem kurzen Leben drehte, so viele Dramen abgespielt. Waren das auch immer ihre Dramen? „Es ist mir scheißegal, was die Leute von mir denken“, schrieb sie in einem Brief an ihren Bruder, der Satz dick unterstrichen.

Neben dem Krinolinenkleid aus cremefarbenem Brokat, das sie als Sissi trug, hängt in einer Vitrine ein Kleid der echten Elisabeth von Österreich, schwarzes Tuch, ausladende Schinkenärmel und Stehkragen, sehr schmale Taille. Die Kaiserin hatte nicht nur einen Spleen mit ihren Haaren, die sie sich bis zur Hüfte wachsen ließ, sondern auch eine Essstörung. Wieder eine Parallele zwischen Figur und Schauspielerin: Im Sissi-Film der Fünfzigerjahre erscheinen sowohl Romy Schneider als auch Elisabeth von Österreich als ausschließlich gut gelaunte junge Frauen, denen das Leben leicht von der Hand geht. Aber das ist alles erforscht und aufgeschrieben. Unten im Museumsshop stapeln sich um eine Glaskugel, in der es auf eine Miniatur-Kaiserin in weißer Robe schneit, die Mono- und Biografien über Romy Schneider. Ihr Leben ist eine Geschichte, die man sich in neuen Fassungen wieder und wieder erzählt.

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