Swing hat für die echten Fans nichts mit wettbewerbsorientiertem Tanzsport zu tun, sondern mit Spaß und Kommunikation   Foto: Britta Pedersen/ dpa

Lindy Hop und noch mehr Swing

Tanzen Ob Partys mit Live-Musik für engagierte TänzerInnen, „Body-Percussion“-Workshops oder Kurse für blutige AnfängerInnen: In Sachen Swing ist Hamburg ein Paradies für Tanzwütige

von Larissa Robitzsch

Rhythmisch ertönen Trompete und Saxofon, die Tanzfläche ist gut gefüllt: Männer und Frauen wirbeln zum Sound der dreißiger und vierziger Jahre über das Parkett. Zum ersten Mal spielt heute die Jazzband „Swing Combination“ beim „Swinging Ballroom“ im Hamburger Stage Club. Hier, auf dieser allmonatlich stattfindenden Veranstaltung, trifft sich die Hamburger Swing-Szene, um bei Live-Musik zu tanzen.

„Das Besondere an der Hamburger Swing-Szene ist der Austausch zwischen TänzerInnen und MusikerInnen. Man tauscht sich über die Musik und die Kultur aus und organisiert gemeinsame Veranstaltungen mit Live-Musik“, sagt Tanzlehrer Konstantin Kraffczyk, der seit 13 Jahren Swing unterrichtet und das Hamburger Projekt „Swingwerkstatt“ gegründet hat, das neben den Tanzveranstaltungen auch Lesungen und Konzerte organisiert sowie Tanzkurse und Swing-Einsteiger-Wochenendworkshops anbietet.

Regionale Unterschiede

„Die Swing-Partys stehen in Hamburg im Vordergrund“, sagt Kraffczyk. Jede Woche finden mehrere davon statt, auf denen neben dem bekannten Tanzstil Lindy Hop auch Charleston, Balboa und Vintage Jazz getanzt wird.

Swing hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert. Der „Lindy-Hop“ ist die am weitesten verbreitete Form, die jedoch immer weiter entwickelt wurde. „Früher gab es noch kein Fernsehen oder Social Web, deswegen hat sich der Tanz je nach Region immer etwas anders weiterentwickelt und verwandte Tanzformen sind entstanden“, erklärt Kraffczyk. „Viele wissen nicht, dass der bekannte Moonwalk gar nicht aus den achtziger Jahren, sondern ursprünglich vom Swing der 30er-Jahre stammt.“

Die Rollenverteilung beim Tanzen ist meist noch klassisch: Die Männer sind häufig die „Leader“ und die Frauen die „Follower“, wobei allerdings zunehmend Frauen die Rolle des „Leaders“ übernehmen, erzählt Nina Kamp, die gemeinsam mit Kraffczyk und drei weiteren KollegInnen die Swingwerkstatt betreibt. „Der Tanz soll eine Kommunikation sein“, sagt Kraffczyk. „Leader und Follower sollen sich austauschen, denn die Kunst des Tanzes ist es letztendlich, ein Gespräch zu führen, in dem keine Rolle die andere dominiert.“ Der Tanz lebe von Improvisation und Rhythmus.

Nicht nur Paartanz

Kraffczyk gefällt die Leichtigkeit am Swing. „Die Tänze sehen nicht nach Unterricht aus, sondern sind sehr frei in den Bewegungen“, erklärt er. Bevor er über eine Party zum Swing kam, tanzte er gar keine Paartänze. Und auch Swing ist nicht ausschließlich ein Paartanz. „Viele Schritte lassen sich auch gut alleine tanzen“, sagt er.

War die Hamburger Swing-Szene Ende der neunziger Jahre noch überschaubar, steigen mittlerweile das Interesse und die Angebote verschiedener Anbieter an Swing-Veranstaltungen immer weiter an. „Der große Kern der Teilnehmer kennt sich, aber es kommen immer wieder Neue zu den Partys“, sagt Nina Kamp, die für die Veranstaltungsorganisation in der Swingwerkstatt zuständig ist. Die Swing-Szene gelte als sehr offen und kommunikativ.

Offene Räume

Das liegt bestimmt auch am unverkrampften Umgang mit dem Tanz, der weniger als Sport denn als Freizeitvergnügen betrieben wird: „Den wettbewerbsorientierten Tanzsport vermeiden wir in Hamburg – für uns stehen die Partys im Vordergrund“, sagt Kraffczyk. Und: Die Tanzveranstaltungen der Swingwerkstatt finden grundsätzlich in offenen Räumen statt, die für alle zugänglich sind.

Vor den Tanzabenden werden Crash-Kurse für Neulinge angeboten, in denen die AnfängerInnen die ersten Schritte lernen. „Swing tanzen kann jeder. Man muss nur die Lust zu tanzen mitbringen“, sagt er. Ein Partner sei nicht notwendig, Interessierte können sich auch alleine anmelden.

Für Kraffczyk ist Swing nicht nur Tanz, sondern auch ein Lebensstil, der sich in seinem Alltag widerspiegelt: „Meine Wohnung habe ich mit Möbeln im Stil der 30er-Jahre eingerichtet. Ich lese Bücher und höre Musik aus der Zeit.“ In der Szene gebe es immer Leute, die auch ihren Kleidungsstil anpassten.

Bezug zur Geschichte

Der „Swinging Ballroom“ im Hamburger Stage Club knüpft an die Geschichte des Swings an: Obwohl er während der Großen Depression in den dreißiger Jahren in den USA entstand, war der Tanz Ausdruck purer Lebensfreude. Der „Savoy Ballroom“ im New Yorker Stadtteil Harlem war der erste Club, in dem Schwarze und Weiße ohne Rassenkonflikte gemeinsam tanzten – Swing war immer auch ein Ausdruck des Protests und Widerstands. Auch in der NS-Zeit tanzte die deutsche „Swing-Jugend“ nach dem Motto: „Wer tanzen kann, kann nicht marschieren“.

Für Nina Kamp ist Swing heute aber kein Ausdruck mehr von politischem Protest, sondern „eine Haltung, wie man mit anderen Menschen umgehen will“. Kraffczyk fügt hinzu, dass Swing etwas mit Respekt zu tun habe und der Erinnerung an das, was die Menschen damals geleistet haben. Denn der Bezug zur Geschichte des Swing ist seinen Liebhabern wichtig. Noch immer kommen Zeitzeugen zu den Tanzveranstaltungen und berichten von der Geschichte des Tanzes weiter.

Swing war immer auch ein Ausdruck des Protests und Widerstands. Auch in der NS-Zeit tanzte die deutsche „Swing-Jugend“ nach dem Motto: „Wer tanzen kann, kann nicht marschieren“

Trotz aller Geschichtsverliebtheit entwickelt sich der Swing weiter: Ein neuer Trend ist mit dem Electro-Swing entstanden. Der gehöre allerdings, räumt Kamp ein, zu einer anderen Szene. „Es ist interessant sich anzuhören, welche Musik in den Stücken beim Electro-Swing verarbeitet wird, aber die Überschneidung ist nicht besonders groß“, sagt auch Kraffczyk. Bei Electro-Swing-Partys spiele häufig ein Saxofonist, bei den Partys der Swingwerkstatt hingegen eine ganze Band.

Die TanztrainerInnen „Julian und Juliane“ aus Hamburg haben sich ganz dem „West Coast Swing“ verschrieben und bieten in ihren Kursen diesen neuen Trend aus Kalifornien an. In insgesamt vier verschiedene Levels sind ihre Kurse unterteilt, bei denen EinsteigerInnen und Fortgeschrittene das für sie passende Niveau wählen können.

Den klassischen „Lindy Hop“ lehrt seit 1998 der Hamburger Verein „New Swing Generation“. „Die meisten unserer Mitglieder sind durch die Musik, also Swing als Tanzmusik des Jazz, zu uns gekommen“, sagt Kassenwartin Dagmar Wischnewski, die selbst ein halbes Jahr nach der Gründung dem Verein beigetreten ist. Heute bietet er Tanztrainings, internationale Workshops und „Exchanges“ an, bei denen die Mitglieder die Swing-Szene in anderen Ländern kennenlernen können.

Swing als Hochschulsport

Vereinsmitglieder können gegen einen Monatsbeitrag an allen Tanzkursen teilnehmen, die angeboten werden – und das sind viele: Fast täglich finden Kurse im eigenen Tanzstudio in der Boschstraße in Swing-Stilen wie Balboa und Lindy Hop statt, außerdem bieten die TanzlehrerInnen spezielle Themenblöcke wie „Body Percussion“ an: Hier werden Solosteps aus dem Charleston mit sogenannter „Body Percussion“ verbunden.

Speziell für Studierende bietet auch der Hochschulsport Hamburg Swing-Kurse an. An Freitagabenden finden Kurse mit verschiedenen Themen-Schwerpunkten statt, außerdem werden hier die ersten Lindy-Hop-Basics vermittelt. Dieses Semester bietet die Hochschule noch einen Kurs am 22. Januar unter dem Motto „Partner Charleston“ an, der sowohl von Studierenden als auch von Gästen besucht werden kann.