Raus aus dem Tiefschlaf

EISSCHNELLLAUF Beim Junioren-Weltcup in Berlin schlittern die Deutschen weiter hinterher. Mit dem niederländischen Trainer Jan Coopmans soll das bald anders werden

Will mehr an der Technik feilen: Jan Coopmans Foto: imago

aus berlin Alina Schwermer

Aus den Lautsprechern tönt der Fußball-WM Song „Auf uns“. Irgendwelche Mütter machen Handyvideos. Und die blanke Anzeigetafel scheint zu versprechen, dass hier heute alles für jeden möglich ist. 180 Athleten aus 23 Ländern sind ins Sportforum Hohenschönhausen in Berlin gekommen, um den Junioren-Weltcup im Eisschnelllauf auszutragen. Auf das Siegerpodest, das im Zentrum der Halle aufgebaut ist, machen sich die deutschen Gastgeber keine großen Hoffnungen. „Wir brauchen noch drei oder vier Jahre, um dahin zurückzukommen, wo die Deutschen mal waren“, sagt Junioren-Bundestrainer Jan Coopmans.

Coopmans, der im Mai seinen Job angetreten hat, soll die deutschen Eisschnellläufer aus der Krise führen. Die alte Erfolgsgarde bei den Frauen um Anni Friesinger und Daniela Anschütz-Thoms ist bereits vor fünf Jahren abgetreten, gleichwertige Nachfolger blieben aus. Vorne mit dabei war zuletzt lediglich die 43-jährige Claudia Pechstein.

Jan Coopmans schaut hinunter aufs Oval, wo sich die favorisierten Koreaner, Chinesen, Japaner und Russen vorbereiten. „Die Deutschen haben die technische Entwicklung verpasst“, erklärt er. „Sie haben sich zu lange auf ihren Erfolgen ausgeruht und zu viel auf Konditionierung geachtet. Was im technischen Bereich passiert ist, haben sie verschlafen.“ Technik heißt: Energie in Geschwindigkeit umsetzen. Nicht nur Kraft und Ausdauer trainieren. Mit dem fortschrittlichen Klappschlittschuh etwa befasste man sich erst, als er in Holland längst verwendet wurde. Coopmans will den Deutschen beibringen, mehr auf Technik zu achten. Bis das überall umgesetzt ist, wird allerdings Zeit vergehen. „Wenn man 17 oder 18 Jahre alt ist, hat man schon viel gelernt. Es dauert, bis man sich umgestellt hat. Es kann auch sein, dass wir erst noch Schritte zurück machen, bevor es nach vorne geht.“

Der Junioren-Weltcup ist für Coopmans daher nur ein Baustein auf einem langen Weg. Denn anders als in seiner Heimat, der Eisschnelllaufhochburg Holland, hat er in Deutschland auch mit einer schwierigen Ausgangslage zu kämpfen. „In Holland findest du auf jeder Eisbahn hundert Kinder, die Eisschnellläufer werden wollen. Hier in Deutschland“, sagt Coopmans leicht genervt, „redet jeder nur über Fußball.“ Das macht es auch schwierig, Sponsoren zu gewinnen. Und mit nur drei Eisschnelllaufhallen im Land ist es für Talente nicht leicht, Schule und Training unter einen Hut zu bringen. „Um Spitzenniveau zu erreichen, braucht man kurze Wege, Nähe zu Schulen.“ Oder, sagt Coopmans, viel Personal. Die Russen nämlich hätten zwar auch nur drei Hallen, aber in jeder Halle 70 Trainer.

Dennoch gibt es auch in Deutschland hoffnungsvolle Talente – Tabea Theurich etwa. Die 17-Jährige kommt aus Berlin und hat daher das Glück, am renommierten Sportforum trainieren zu können. Sie ist Allrounderin im Team, läuft alles von 500 Metern bis 3.000. Ihre Trainingseinheiten, rund zehn pro Woche, sind vor allem deshalb möglich, weil sie auf die Sportschule in Hohenschönhausen geht, nur wenige Meter vom Sportforum entfernt. Theurich hat außerdem im Alter von sieben Jahren ihre Karriere auf dem Eis gestartet. Das ist ein untypischer Weg. Üblicherweise wird der Nachwuchs erst mit neun oder zehn Jahren gecastet. In Berlin läuft es für Theurich nicht gut. Ein Infekt macht ihr zu schaffen. Auf ihrer Lieblingsstrecke über 1.000 Meter reicht es nur für Platz 26. Die Anzeigetafel präsentiert bei den Frauen, ebenso wie später bei den Männern, ein mittlerweile gewohntes Bild: Koreaner, Japaner, Russen, ab und an Niederländer unter den ersten Fünf. Coopman erklärt unverdrossen: „Wir wollen die Deutschen in den nächsten Jahren wieder ein bisschen nach vorne bringen.“ Ein bisschen heißt: an die Weltspitze.