Verbotene Filme

DDR-KINO Die Filmreihe „Sturm und Zwang“ zeigt Perlen des DDR-Kinos, die aufgrund der scharfen Zensur verboten wurden

Ein Faustschlag sagt manchmal mehr als tausend Worte. Film-Still aus dem DDR-Streifen „Denk bloß nicht, ich heule“ Foto: DEFA-Stiftung Jörg Erkens

von CAROLIN WEIDNER

Von „einem Meilenstein in der auf 1989 zulaufenden Krisengeschichte der DDR“ schreibt Wolfgang Engler, seit 2005 Rektor der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, in dem von Günter Agde 2000 herausgegebenen Band „Kahlschlag. Das 11. Plenum des ZK der SED 1965 – Studien und Dokumente“. Und weiter: „Das perfekt inszenierte Tribunal rechnete schonungslos mit allen fortschrittlichen Tendenzen in den Künsten und im gesamten Geistesleben ab, schüchterte die Protagonisten der ostdeutschen Moderne und ihrer Verbündeten in den Kulturbehörden für viele Jahre ein und verbannte die ungeschminkte Wahrheit aus dem öffentlichen Diskurs.“

Der Kahlschlag jährt sich in diesem Jahr zum fünfzigsten Mal. Zu diesem denkwürdigen Jubiläum erscheint nicht nur das Buch „Verbotene Utopie. Die SED, die DEFA und das 11. Plenum“ im Verlag Bertz und Fischer, das sich explizit und ausführlich mit den betroffenen Defa-Filmen auseinandersetzt – auch das Zeughauskino widmet sich mit der Filmreihe „Sturm und Zwang“ sowie einem Symposium am 10. Dezember sämtlichen Produktionen, die mit der Zäsur in Verbindung stehen. Darunter Kurt Maetzigs „Das Kaninchen bin ich“ (DDR 1965), der die Reihe am 1. Dezember eröffnen wird. Es war einer der beiden Filme, die dem Plenum direkt vor der Tagung (gemeinsam mit „Denk bloß nicht, ich heule“ von Frank Vogel) zur Sichtung vorgelegt wurden. „Das Kaninchen bin ich“ kann beispielhaft für die insgesamt zwölf betroffenen Filme stehen. Denn er nimmt, wie einige andere auch, das Schicksal einer jungen Frau zum Ausgangspunkt. Hier ist es Maria, eine neunzehnjährige Schülerin, die mit ihrem Bruder Dieter unter der Obhut einer Tante lebt.

Als Dieter wegen „staatsgefährdender Hetze“ zu drei Jahren Haft verurteilt wird, nimmt die Geschichte einen gewaltigen Dreh. Maria wird das Studium der Slawistik, auf das sie sich beworben hatte, um Dolmetscherin zu werden, verwehrt. Und mehr: Wie der Zufall es will, lernt sie bald darauf den ausführenden Richter Paul Deister (Alfred Müller) kennen – und verliebt sich in ihn. Deis­ter, verheiratet und im Laufe des Films selbst mit seiner richterlichen Praxis in Konflikt geratend, beginnt eine Affäre mit der viel jüngeren Maria und erhofft sich eine harmonische Beziehung in seinem Ferienhaus im Berliner Umland, im welchem er Maria aufgrund ihrer Spondylose untergebracht hat.

Doch Maria hat ihren eigenen Kopf. Und auch die Verurteilung ihres Bruders Dieter mag ihr nicht schmecken, zumal sie bald als Zeugin in einem Fall aussagen muss, dessen Urteilsspruch weit milder ausfällt.

Maetzigs Film führt Melodramatisches und Politisches elegant zusammen

Maetzigs Film führt Melodramatisches und Politisches recht elegant zusammen, wobei vor allem aus Angelika ­Wallers vermögendem Spiel als Liebende, Geliebte, Kämpferin und Schwester einiges an Kraft erwächst. In einem viele Jahre später geführten Gespräch berichtet Maetzig vom Schock, der auf das vom Plenum beschlossene Verbot folgte.

Die Schriftstellerin Brigitte Reimann hielt in ihrem Tagebuch dazu fest: „Etwas, was mich besonders getroffen hat: ‚Das Kaninchen‘ ist von den Produzenten zurückgezogen worden, freiwillig, versteht sich, und aus Einsicht. Armer Maetzig. Und er wollte kämpfen bis zum letzten Atemzug; er hatte ja alle seine Hoffnungen auf den Film gelegt.“

Ähnlich empfanden wahrscheinlich nicht wenige Regisseure, deren Filme als „Schweinerei“ oder „ideologische Verwilderung“ (Konrad Naumann, Kandidat des ZK) aufs Regal gelegt wurden und zum Teil erst nach 1989 ihren Weg zurück zum Publikum fanden. „Beschreibung eines Sommers“ (DDR 1963) von Ralf Kirsten mit Manfred Krug und Christel Bodenstein in den Hauptrollen etwa – auch er eine filmische Verhandlung von unguter Liebe unter den strengen Blicken der Partei. Oder „Der geteilte Himmel“ von Konrad Wolf – formal visionär, aber aufgrund seiner Republikflucht-Thematik gleichsam problematisch. „Sturm und Zwang“ führt da einiges mit Schneid und Leidenschaft Geschaffenes zusammen. Und lässt erahnen, was da, vielleicht, noch alles möglich gewesen wäre.