: „Doppelt so viele Hitzetage“
Klimawandel Der Meteorologe Frank Böttcher über die Feinheiten des globalen Klimasystems
47, ist Direktor des Instituts für Wetter- und Klimakommunikation und Vorstand der Klimaschutz-Stiftung.
taz: Herr Böttcher, im vergangenen Jahrzehnt soll der globale Temperaturanstieg zum Stillstand gekommen sein. Trifft das zu?
Frank Böttcher: Dabei wird häufig vergessen, dass das Klimasystem aus Ozean und Atmosphäre besteht. Während die Temperatur der Atmosphäre in den vergangenen zehn Jahren stagnierte, ist sie im Ozean gestiegen. Die thermische Expansion, der Anstieg des Meeresspiegels um durchschnittlich 3,2 Millimeter im Jahr, zeigt, dass der Energiegehalt in den oberen 700 Metern gewachsen ist. Die Atmosphäre enthält ungefähr zehn Prozent der Energie des Klimasystems, die oberen 700 Meter des Ozeans 90 Prozent. Jüngst ist auch die globale Lufttemperatur wieder gestiegen. 2014 war das wärmste Jahr seit Beginn der Beobachtungen 1880.
Gibt es auch Anzeichen für einen Klimawandel in Hamburg?
In den vergangenen 30 Jahren ist es im Mittel 1,2 Grad pro Jahr wärmer geworden. Das betrifft alle Jahreszeiten.
Kann uns das nicht egal sein?
In Hamburg erwarten wir eine Verdoppelung der Sommertage mit über 30 Grad bis 2050. Dann hätten wir hier so viele Hitzetage wie in Freiburg. Man könnte sagen: Das ist eine gute Nachricht, für viele verbunden mit einem schöneren Lebensgefühl. Für Hamburg hat die Erwärmung möglicherweise viel weniger schlimme Auswirkungen wie anderswo. Der Temperaturanstieg in Spanien wird aber dazu führen, dass viele Urlaubsregionen im Sommer plötzlich 30 Tage in Folge Temperaturen von Mitte 30 bis weit über 40 Grad haben.
Derzeit tritt wieder das Klimaphänomen El Niño auf. Womit müssen wir rechnen?
Es ist vermutlich das stärkste El-Niño-Ereignis seit Beginn der Beobachtungen. Es erreicht seinen Höhepunkt wohl in den nächsten zwei bis drei Wochen. Interessanterweise haben wir dabei nicht nur eine Anomalie der Wassertemperaturen im östlichen Pazifik entlang des Äquators, sondern global an vielen Stellen.
Was hat das für Folgen?
In starken El-Niño-Jahren neigt die Atmosphäre in Mitteleuropa dazu, weniger normale Winter zu produzieren, sondern entweder einen sehr kalten oder einen sehr warmen Winter. Auf welche Seite das Pendel schlägt, ist völlig unsicher.
Interview: Gernot Knödler
„Klimatalk vor Paris“ mit Claudia Kemfert (DIW), Mojib Latif (Geomar) und Umweltsenator Jens Kerstan: 18.30 Uhr, Umweltzentrum Karlshöhe
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