: Unter Zockern
Robert Hoyzer meldet sich im Berliner Wettprozess zu Wort und belastet die mitangeklagten Sapina-Brüder
BERLIN taz ■ Ist die Wettleidenschaft erst einmal geweckt und lappt sie ins Obsessive, dann wird sie leicht zum Leitmotiv, zu einer Schablone, die sich selbst über banale tägliche Verrichtungen legt. Robert Hoyzer, der seine Aussage vom Donnerstag am kommenden Dienstag fortsetzen wird, hat die manische Wettlust im Hause der kroatischen Sapina-Brüder in allen, teils irrwitzigen Facetten kennen gelernt. Vor der 12. Strafkammer des Berliner Kriminalgerichts schilderte der Angeklagte, er habe eines Morgens mit den Sapinas gefrühstückt. Gekochte Eier sollte es geben. Die Runde wartete nicht die obligatorischen fünf Minuten ab, sie wettete. Die Zockerei ums Ei gestaltete sich ganz einfach. Wessen Hühnerei zuerst platzt, der hatte verloren. Der Loser musste zwanzig Euro zahlen. Hoyzer, der bei den Sapinas und vor allem im Café King in Berlin-Charlottenburg ein und aus ging, dort sein „zweites Wohnzimmer“ gefunden hatte, wurde selbst zum Wettmaniac. Dies offenbarte er in seiner Einlassung am vierten Verhandlungstag des Wettprozesses. Ihm sei es durch den Umgang mit den Kroaten „immer mehr ums Geld gegangen“. Und weiter: „Geld spielte, meine ich, immer eine große Rolle bei den Sapinas – und irgendwann auch bei mir.“
Ante Sapina zeigte ihm freilich auch imponierende, verlockende Bilder, abgespeichert auf einem Laptop im Hinterzimmer des Cafés. Was Hoyzer sah, wühlte ihn auf. Unmengen von Geld waren auf den Schnappschüssen zu sehen. „Wahnsinnig viel Geld, das kann man sich gar nicht vorstellen.“ Ante Sapina gönnte ihm wohl auch ein Live-Erlebnis seiner Reichtümer. Nach einem Griechenlandtrip des mutmaßlichen Drahtziehers will Hoyzer vor einem prall gefüllten Rucksack gestanden haben – voller Geld. „Das hatte ich noch nie in meinem Leben vorher gesehen.“ Und auch dies war dem Schiedsrichter fremd: Während Hoyzer wie üblich ein Portemonnaie bei sich trug mit kleinen Scheinen, hätten die Sapina-Brüder bisweilen tausende von Euro lose in der Tasche gehabt. „Das imponierte mir. Locker zu sein. Lässig. Geld zu haben.“ Über seine Motive spricht Hoyzer, 26, offen. Er bezichtigt sich und bestätigt, dass die Vorwürfe gegen ihn – es handelt sich um elf strafbare Handlungen – „im Wesentlichen zutreffend“ seien.
In der Aussage von Ante Sapina, 29, die er am Donnerstagvormittag mit einem tränenerstickten Schuldeingeständnis beendet hatte, gerieten seine Brüder Filip und Milan zu Nebendarstellern in einem Spiel, dessen Regeln der jüngste Spross diktierte. Bei Robert Hoyzer hört sich das nun etwas anders an. Er stellte die Brüder als Mitwisser der Manipulationen dar. „Wir haben offen über die Manipulationen gesprochen“, sagte Hoyzer, „und das waren nicht nur Gespräche zwischen Ante und mir, sondern auch mit Filip und Milan.“ Auch die Darstellung Ante Sapinas, der Betrug habe versuchsweise mit einem Fußballspiel in der Türkei begonnen, stellte Hoyzer in Frage. Nach seinen Schilderungen hätten die Sapinas bereits weit früher betrogen. Hoyzer berichtete von einem Gespräch mit Ante Sapina, in dem ihm dieser verraten haben will, mit getürkten Tenniswetten Geld gewonnen zu haben. Dies habe er getan, weil er „wahnsinnig abgebrannt“ gewesen sei, „verzweifelt aufgrund des Bankrotts“.
Um das Glück zu zwingen, sei Ante Sapina auf die Idee gekommen, auf ein Tennisturnier nach Ulm zu fahren, mit reichlich Geld im Gepäck. Dort habe er erfolgreich einen kroatischen Spieler bzw. dessen Trainer zwecks Manipulation eines Matches bestochen; der Spieler habe in der Partie verletzt aufgegeben. Filip Sapina habe ihm, Hoyzer, darüber hinaus bestätigt, dass es zum Betrug in der Tennisszene gekommen sei. „Tenniswetten waren wesentlich einfacher, weniger Stress als Fußball“, soll der ihm gestanden haben.
Ante Sapinas Aussage, laut der Hoyzer dem „Wettpaten“ (Bild) Spiele angeboten, ja geradezu aufgedrängt habe, relativierte der ehemalige Referee: „Ich habe da etwas und biete es dir an – das gab’s nicht. Ante war immer im Bilde, über alles.“ Es hätten sich auch nicht zwei Gleichgesinnte zusammengetan, sondern er habe „im Gegensatz zu Ante“ eine reine Weste eingebracht – obgleich er von zwei Spielen sprach, die vor seiner Bekanntschaft mit den Sapinas unter seiner Mithilfe verschoben werden sollten. Tatsächlich sind Ende 2003 fünfhundert Euro auf Hoyzers Konto eingegangen – angeblich nur ein „Weihnachtsgeschenk“. MARKUS VÖLKER