: Ramadanfieber
Der Fastenmonat ist die Zeit der Fernsehserien in der arabischen Welt.Zwischen Irrungen und Wirrungen wird kräftig für Konsumgüter geworben
VON JULIA GERLACH
Der Mann am Steuer des betagten Autos ist nur mit einem Auge Taxifahrer. Mit dem anderen verfolgt er gespannt die Handlung des Liebesdramas neben seinem Lenkrad. Dort hat er einen kleinen Fernseher installiert. Es ist Ramadan in Kairo. Die Zeit des Fastens, der Fernsehserien und – das wird von Jahr zu Jahr stärker – der Werbung.
„Das kannst du nicht mit mir machen!“, sagt Youssra und schaut zornig aus ihren Katzenaugen. Bevor ihr Gegenspieler reagieren kann, beginnt der Werbeblock. In einer 55-minütigen Folge der Serie „Ganz normale Träume“, in der in diesem Jahr der ägyptische Superstar Youssra die Meisterdiebin gibt, können bis zu 45 Werbeclips untergebracht werden. Youssra gehört zum Ramadan wie die bunten Laternen an den Fenstern und die süßen Kekse nach dem Essen. Jedes Jahr erwarten die Fernsehzuschauer mit Spannung, in welcher Serie sie diesmal auftritt. Die Sender scheuen weder Mühe noch Kosten. Sie produzieren, kaufen ein, verpflichten Stars.
Youssra spielt dieses Jahr eine Profidiebin, die ständig ihr Äußeres ändert. Mal mit blonder Perücke, mal als Hexe verkleidet, entgeht sie mit List und Tücke der Verfolgung durch die Polizei. Sie ist zur Diebin geworden, weil ihre Jugend schwer und ihre Ehe furchtbar war. Eigentlich ist sie jedoch eine gute Seele, und es ist absehbar, dass sie am Ende des Ramadans, wenn auch die Serie zu ihrem Abschluss kommt, in den Hafen der Anständigkeit und der Liebe zurückfindet. Die Heldin verkörpert trotz ihres Handwerks die arabischen Ideale von Ehrlichkeit, Fairness und Bodenständigkeit. Sie versucht den Verlockungen der modernen Konsumwelt zu widerstehen und zieht die ägyptischen Traditionen den Neuerungen der Globalisierung vor. Dieses Motiv zieht sich durch alle Ramadanserien: Historiendramen, Romanverfilmungen oder die gesellschaftskritische Familiengeschichte „Bewusstsein der Zeit“, die am Persischen Golf spielt.
Die Golfregion macht inzwischen Ägypten, dem Mutterland der arabischen TV-Serie, kräftig Konkurrenz. Fast die Hälfte der Serien kommt in diesem Jahr bereits nicht mehr vom Nil. Doch auch in den aufwändiger gedrehten Golfproduktionen ist die Kritik an Konsumwut und Verwestlichung herauszulesen. Im krassen Kontrast zu dieser Botschaft stehen die ständigen Reklameunterbrechungen, in denen oft die gleichen Stars auftreten wie in den Serien.
„Die Agenturen setzten ihren Ehrgeiz darein, möglichst passende und originelle Spots zu produzieren“, erklärt Amgad Sabry von der Agentur Leo Burnett in Kairo. Kein Wunder, denn es lohnt sich: Bis zu 50 Prozent des Werbebudgets geben einige Firmen in vier Wochen Ramadan aus, zu zum Teil zehnmal höheren Minutenpreisen als im übrigen Jahr. Aber auch beim Inhalt nimmt die Werbebranche zunehmend Rücksicht auf die religiösen Gefühle der TV-Gemeinde: Die Models zeigen wenig Haut, und bei Gewinnspielen werden gern Pilgerreisen nach Mekka verlost.
Während des Ramadan gilt Heiraten als unfein – deswegen verschieben viele Paare ihre Trauung auf die Wochen direkt danach und nutzen die Fastenzeit für die Vorbereitung. Deshalb werden neben Lebensmitteln besonders Kühlschränke, Waschmaschinen und Klimaanlagen beworben. Oft folgen auf diese Clips – als kleiner Trost – Ankündigungen von Verlosungen, bei denen es Bargeld oder Eigenheime zu gewinnen gibt.
Weniger Werbung wird bei dem Nachrichtensender al-Dschasira gezeigt. Um ihn machen neben amerikanischen auch saudische und kuwaitische Firmen aus politischen Gründen einen Bogen. Sie fürchten, sie könnten in Ungnade fallen, wenn sie ihre Werbung zwischen den Nachrichtensendungen platzieren, wo unter Umständen wieder die eine oder andere arabische Regierung kritisiert wird. Dabei hat der Nachrichtensender aus Katar in diesem Ramadan auch kleine Sensationen anzubieten.
Neulich trat am Abend der stellvertretenden Führer einer verbotenen Muslimbruderschaft in einer Live-Sendung auf. Es ist nicht nur Ramadan, es ist auch Wahlkampf in Ägypten, und dieses Mal könnten die Kandidaten der Muslimbruderschaft eine wirkliche Herausforderung für die Regierung sein. Das wirkt erst einmal fast spannend, wie die Dramen mit Youssra und Co. Doch ebenso wie in den Serien ist das Ende dennoch absehbar: Happy End, natürlich für die Regierungspartei.