Der dem Affen Zucker gibt

Mit seiner Show „Rockpolitik“ macht Adriano Celentano im italienischen Staatsfernsehen Silvio Berlusconi das Leben schwer – er ist eben ein noch besserer Populist als der Premierminister

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Ungefähr so würde Silvio Berlusconi eine Fernsehshow konzipieren, wenn er beschließen sollte, auf seine späten Tage noch eine TV-Karriere einzuschlagen: Drei Stunden lang ununterbrochen auf der Bühne, mal ein selbst komponiertes Liedchen singend, dann einen längeren Monolog über die Welt als solche und die Schlechtigkeit der Politik haltend, vor dem nächsten Monolog bäte er dann einen Gast auf die Bühne, um zur Abwechslung zu zweit über die Weltenläufte zu räsonieren, am Ende aber gehört ihm der Applaus natürlich allein. Wie Egomanen eben eine TV-Show machen.

Gut und auch böse

Bloß Pech für Silvio, dass der Job schon vergeben ist, wenigstens in diesem Herbst. Woche für Woche inszeniert sich da einer selbst, der dieses Geschäft mindestens genauso gut beherrscht wie der Ministerpräsident: Adriano Celentano.

Groß die Kulisse – im Hintergrund an der Wand die Wolkenkratzer von New York, aus denen Feuer lodert, vorne links eine vermüllte Wohngegend, die wohl die Bronx sein soll. Und mitten auf der Bühne der alte Star, schwarze Hose, schwarzes Hemd, schwarze Sonnenbrille, dazu einen kurzen schwarzen Samtschal über den Schultern, der ihm einen priesterlichen Zug verleiht. Nicht umsonst: Celentano ist vor allem zum Predigen auf der Bühne.

Gleich zum Auftakt jeder Sendung teilt er erst mal die Welt in gut und böse, in „Rock“ (gut natürlich) und in „lento“ (langsam und damit pfui Teufel).

Liebe auf der Wiese unter freiem Himmel? Rock! Zu Hause unter der Bettdecke? Lento! So werden zehn Minuten lang Noten verteilt, mal allzu nachvollziehbar (Folter? Lentissimo!), mal einfach aus der sich den Zuschauern nicht erschließenden, unergründlichen Weisheit Celentanos geboren: Der Papst? Hardrock, vor allem weil er jetzt den geschiedenen Paaren entgegenkommt. Die Schwulen? Rock. Schwule Ehen? Lento. Deshalb auch: Zapatero lentissimo. So war Celentano immer, seit er Ende der Achtziger, nach der immer gleichen Soße, alle paar Jahre eine TV-Show macht.

Und auch seine Monologe haben es in sich. Ein bisschen Pasolini, mit regelmäßigem Geschimpfe auf die Moderne, die die überkommene Kultur zersetzt („Sie haben euch Häuser beschert, in denen das Wasser nicht mehr eiskalt ist wie einst auf dem Bauernhof, aber das warme Wasser wärmt bloß eure Körper!“). Und ein bisschen Mussolini, mit Zetern über eine Politik, die, „egal ob rechts oder links“, statt nach unità, nach Einheit, zu trachten, unter dem Druck von „Lobbys“ zum „Kompromiss“ verkommt.

Wo steht Celentano?

Das alles könnte Berlusconi prächtig gefallen; der ist schließlich auch ein egomanischer Populist, der regelmäßig über „die Politik“ herzieht, der gern ein Lied zur Gitarre anstimmt und sich noch lieber selbst, am besten stundenlang, reden hört. Und der Linken müsste der Laienprediger, der die RAI-Studios in eine Volkshochschule für Celentano-Thinking verwandelt, eigentlich gehörig gegen den Strich gehen.

Genau umgekehrt ist es jedoch diesmal gekommen: Die Opposition feiert Celentano hymnisch als TV-Genie, während die Berlusconi-Medien sich über den angeblichen „Gratis-Mega-Wahlspot“ für Oppositionsführer Romano Prodi mokieren.

Der eine Populist – Celentano – nämlich hat diesmal dem anderen – Berlusconi – offen den Krieg erklärt. Schon die erste Sendung letzte Woche widmete sich lang und breit dem Thema Meinungsfreiheit in Italiens Medienlandschaft.

Und vorgestern ging es gleich weiter, mit einem Gast, der dem Regierungschef 45 Minuten lang einheizte. Roberto Benigni: „Silvio, du willst, dass nicht bloß der Regierungschef, sondern auch der Oppositionsführer vom Kabarett attackiert wird. Da hast du völlig Recht, Celentano wird das auch machen, nächstes Jahr im Herbst wird er bloß den Oppositionsführer attackieren.“

Grinsend macht Benigni eine kleine Pause, dann fügt er hinzu: „Nein, so ist es auch nicht richtig. Nächstes Jahr bist du ja der Oppositionsführer, Silvio“, und der Saal tobt.

Diese Sorte Abgesang tut weh, erst recht jemandem, der den politischen Gebrauch des Fernsehens perfektioniert zu haben meinte.

An den Schaltstellen

Alle Schaltstellen im öffentlichen wie im eignen Privatfernsehen sind mit vertrauenswürdigen Gestalten besetzt, die Kritiker wurden rausgesäubert, die Schere der Zensur ist immer präsent – und die paar, die dennoch mal was Keckes gegen Berlusconi sagen, lassen sich leicht in die linke Ecke stellen.

Ebendas geht mit Celentano nicht. Die RAI kann ihn nicht zensieren, ohne sich und Berlusconi vor dem ganzen Volk lächerlich zu machen – denn Celentano ist eben kein ausgewiesener Linker. Sondern bloß ein Populist, der besser als der andere Populist die Stimmung im Land begriffen hat: Am Donnerstag hatte Celentano mit 15 Millionen Zuschauern in der Spitze fast 50 Prozent Einschaltquote.