Frieden, Krieg?

Terrorismus Die Anschläge von Paris werden zum Krieg erklärt. Angst geht um wegen der Folgen. Kommt ein neues 2001? Und: Warum passiert all das?

Sie singt die Marseillaise. Berlin, Französische Botschaft Foto: Schreiber/ap

Selbstgerecht

betr.: „Was heißt jetzt ‚Krieg‘?“,taz vom 16. 11. 15

Der Anschlag in Paris ist so viel Krieg wie der IS Staat ist. Verblüffend die Steigerung – breiter,willkürlicher und in der Begründung (verderbte Gesellschaft) noch selbstgerechter. Unser Bemühen um Eingliederung der aus dem Kriegsgebiet Fliehenden die zukunftstauglichste Antwort.

KLAUS WARZECHA, Wiesbaden

Herz und Tat

betr.: „Was heißt jetzt ‚Krieg‘?“,taz vom 16. 11. 15

Paris ist uns hautnah, das haben wir alle gefühlt die letzten Tage. Und dass Anschläge in dieser Nähe uns stärker erschüttern als der Terrorismus in den USA oder ein Krieg in Nahost, ist auf emotionaler Ebene nur verständlich. Doch dass daraus keine rationalen Schlüsse gezogen werden, ist verwerflich.

Wenn 129 Personen in Paris sterben, ist das schrecklich, aber was ist mit all den Flüchtlingen, die in vergleichbaren Zahlen regelmäßig im Mittelmeer ertrinken? Zumal sie dem gleichen IS-Terror ausgesetzt sind und dabei nicht mal mit Schutz ihrer Regierung rechnen können. Die wachsende europäische Solidarität infolge der Anschläge ist zu loben, aber ohne entsprechende Solidarität mit den Opfern des Kriegs in Syrien hat sie einen bitteren Beigeschmack. Solange ihr keine groß organisierte humanitäre Hilfe entspricht, ist sie nur ein Zeichen der Abschottung und Blindheit für das Schicksal von Millionen Menschen. Lass die scheußlichen Ereignisse kein Zeichen der Distanz zwischen Europa und der syrischen Bevölkerung, sondern eins der Gemeinsamkeit zwischen beiden sein. Lass uns nicht nur den Parisern, sondern vor allem auch den syrischen Flüchtlingen mit Herz und Tat beistehen. JULES DE ROOS, Berlin

Einfach Mörder

betr.: „Was heißt jetzt ‚Krieg‘?“,taz vom 16. 11. 15

Wie haben sich unsere Politiker in den 70er Jahren dagegen gewehrt, der Roten Armee Fraktion zu widersprechen, sie habe Kriegerstatus – zu Recht. Auch diese neuen Terroristen sind keine Krieger, Soldaten, sondern ganz einfach: Verbrecher und Mörder. Alles Schwadronieren vom Krieg führt nur zu einer völlig inakzeptablen Hochstilisierung von Mördern und deren Sonderstellung.

FRIEDRICH HALFMANN, Haltern

Öl ins Feuer

betr.: „Je te veux“, taz v. 18. 11. 15

Bush, Putin, Hollande. Wer sozial und diplomatisch versagt, sieht den Feind gerne außen. Werden die Banlieue in Frankreich und Belgien jetzt zum Ausland erklärt? Nicht dass ich ein Konzept hätte, jedoch hat der Beißreflex nach 9/11 ins Desaster geführt, welches ja unmittelbar und bis heute Öl ins Feuer gießt, anstatt das Feuer zu löschen beziehungsweise in konstruktive Bahnen zu lenken. „Feuer“ in seiner metaphorischen Bedeutung hat ja transformatorische Kraft und ist konstruktiv in Momenten, die nach Veränderung rufen, und diese Welt-„Ordnung“ ruft nach Veränderung, an allen Ecken und Enden …Ich hoffe auf besonnene Politiker und eine stärkere Zivilgesellschaft wie 2001.

JULIUS SCHLOSSER, Grünberg

Gefahr De Maizière

betr.: „Angst?“, taz vom 19. 11. 15

Dieser Innen-, ehemalige Verteidigungsminister ist eine Gefahr, und er ängstigt mich mehr als potenzielle Bedrohungen des IS in Europa. Denn er bereitet mit seinen Kommentaren politisch nicht nur ständige Verschärfungen des Asylrechtes vor, unterstützt damit ziemlich direkt nicht nur die Kämpfer im hohlen Luftraum über den Stammtischen mit ihren ewig gestrigen Weltbildern, sondern redet mit seinen gezielt ausgegebenen Andeutungen den Beistands-, und Bündnisstrategen der EU und der Nato für direkte militärische Beteiligung Deutschlands das Wort.

HANS-JOACHIM REICH, Braunschweig

Zerstörerische Wut

betr.: „Lebensfreude im Visier“, taz vom 17. 11 15

Die Analyse der Stoßrichtung der Pariser Attentate gegen „junge Menschen, die das Leben genießen“, und „Menschen, die Ja zum Leben sagen“, erscheint zutreffend. Die Opfer der Pariser Anschläge hatten offenbar ein gutes Auskommen, angesehene Berufe, das Glück relativer Unbeschwertheit. Viele scheinen Studierende oder angehende Akademiker gewesen zu sein. Kann so viel geballte Lebensfreude auch abstoßend wirken?

Liest man das Interview mit Peter Neumann („Gefahr höher als jemals zuvor“, Seite 5) daneben, so ergibt sich für mich, dass die zerstörerische Wut der Attentäter sich womöglich gerade deshalb so einfach mit „islamistischer Rhetorik“ vom „lasterhaften Leben im Westen“ (für das die Bars und Clubs symbolisch stehen) entfachen ließ, weil den hier (!) geborenen – ebenfalls jungen – Menschen sehr bewusst war, dass genau diese unbeschwerte Welt und gesellschaftliche Sphäre der Arrivierten ihnen nicht zugänglich sein würde. So verstehe ich Herrn Neumann, wenn er sagt, „sind zwar Franzosen, aber sie haben keine wirkliche Chance, Teil des republikanischen Projekts zu sein“.

Obwohl mit dem Ausmaß der Verheerung der Terrorakte des IS nicht zu vergleichen, sehe ich bei der Denklogik eine Parallele zu denen, die in Deutschland auf Rechtsstaatlichkeit pfeifen und nach terroristischen Mitteln von Drohung, Einschüchterung, Sachbeschädigung und Gewalt greifen. Wie mir scheint, geschieht dies ebenfalls aus einem Gefühl des Abgehängtseins und des „Etwas-Besseres-verdient-Habens“, der diffusen Idee eines angeborenen Rechts auf Privilegien und Wohlstand für „Deutsche“ – woraus auch immer sie ihr Deutschsein ableiten – heraus. Beide Gruppen, die Menschen mit „Migrationshintergrund“ auch noch in der x-ten Generation, die zu „Integrationsverweigerern“ und im Extremfall zu Terroristen werden, ebenso wie die, die in Scharen Pegida und AfD nachrennen und die Bereitschaft zum Dialog, zur friedlichen Auseinandersetzung, aufkündigen, haben wir als Gesellschaft verloren. Ich weiß nicht, welche Gruppierung mir mehr Angst macht.

KATHRIN EITH, Halle/Saale

Kein Krieg!

„Nein sagen wird schwer“ von Otfried Nassauer, taz vom 18. 11. 15

Herr Nassauer hat gut herausgearbeitet, was Frankreich anstrebt. Aber das Entscheidende fehlt: Was heißt das für uns, für jeden Einzelnen in Deutschland? Wollen wir zusehen, wie Frankreich Deutschland in einen Krieg hineinzieht? Will die taz da zusehen und dann darüber berichten? Oder ist es an der Zeit, als Einzelner und als Tageszeitung klar zu sagen, dass sich Frankreich nicht im Krieg befindet und damit die Rechtsgrundlage für Angriffe fehlt? Nach Afghanistan – und Irakkrieg – bin ich sicher, dass auch ein Krieg in Syrien keine Lösung bringen wird, egal ob mit oder ohne EU-Beteiligung.

Wenn wir uns nicht jetzt gegen den Krieg aussprechen kann, es morgen zu spät sein.

STEFAN SCHLEPÜTZ, Dortmund

Katar, Förderer des IS

betr.: „Putins neue Allianz“, taz vom 20. 11. 15

Katar unterstützt in den Ländern des Arabischen Frühlings die Salafisten und andere Islamisten. In Katar ist die öffentliche Werbung für den IS, die Rekrutierung von Kämpfern und die Unterstützung durch Spenden für Kataris bis heute ohne jede Konsequenz. Hier vermutet man nicht zu Unrecht eine der größten Geldquellen für den IS. Katar hat weltweit mit 31 Tonnen jährlich, den größten CO2 Ausstoß pro Kopf der Bevölkerung. Laut Schätzung des internationalen Gewerkschaftsbundes sterben jährlich bis zu 600 ausländische Arbeiter unter den sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die Fußballstadien in Katar. Ich frage mich ehrlich, ob es Sinn ergibt, in diesem totalitären Land im Jahr 2022 die Fußballweltmeisterschaft zu begehen, wenn sie indirekt über den IS in Europa Fußballnationalspiele verhindern. HARALD DETHLEFS, Großenwiehe

Wir sind Terroristen

betr.: „Schlechtes Klima für die Demokratie“, taz vom 17. 11. 15

Gerade war ich auf Facebook unterwegs und musste feststellen dass alle ein Solidaritäts-Nationen-Schema als Profilbild haben. Ich glaube, das ist genau falsch. Denn dadurch wird nationales Gedankengut noch mehr gestärkt. Sollte es nicht eigentlich überall europäische Flaggen geben? Sollte das nicht ein Anlass sein, dass wir alle zusammenrücken? Sollte man vielleicht bei der Gelegenheit auch noch einmal verdeutlichen, dass es 2 Millionen Syrer sind, die bisher starben, und wir in deren Augen wohl auch Terroristen sind? Dass wir Drohnen haben. Dass an „unseren Händen“ ebenso Blut klebt? Dass auch durch „unsere Hand“ immer wieder Zivilisten sterben? Ich würde mich auch freuen, wenn ihr herausfinden könntet, weshalb diese Orte gewählt worden sind, wenn ein supervolles Fußballstadion direkt daneben ist. Und warum man mit solcher Macher-Power keine Regierungsgebäude angegriffen hat.

RENÉ LOOF, Berlin

Freiheit der Rechten

betr.: „Gauck gedenkt der Opfer“, taz vom 10. 11. 15

Gauck fordert den Schutz der europäischen Außengrenzen, also den Krieg gegen die Flüchtlinge. Nun gut, er ist ja auch glühender Verfechter des freien Marktes, die Nachfrage nach Fluchthilfe wird ein größeres Volumen erreichen, das Angebot wird wachsen. Es ist ja nicht anzunehmen, dass der Bundespräsident glaubt, man könne Flucht mit Zäunen verhindern.

Gauck nennt „gemeinsame Werte“ als einendes Band, konkret Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie. Das ist an sich nicht falsch. Aber warum wendet er Freiheit, Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie nicht gegen die Gegner der Freiheit, die Anti-Liberalen, also AfD, Pegida und besorgniserregende Bürger? Warum wendet er Freiheit gegen die, die wegen ihrer – und unserer! – Freiheitsliebe zu uns kommen, und nicht gegen die, die die Freiheit und die Menschenrechte einschränken wollen?

DIETMAR THESING, Marl

Bundeswehr ist Kriegsarmee

betr.: Bundeswehr darf in der taz Anzeigen schalten

Nach der halbseitigen Bundeswehranzeige nun eine ganze Seite der taz für Bundeswehrwerbung. Ich finde es deshalb schlimm, weil die Bundeswehr ihre Ausrichtung in den letzten Jahren komplett geändert hat: Sie beteiligt sich an Kriegen unter dem Vorwand, Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Die Folgen dieses Handelns werden ja inzwischen sichtbar.

Eine Anzeige der Bundeswehr, die überdies Werbung für den neuen Weg der Bundeswehr macht, sollte in der taz keinen Platz finden.

S. LIEBERS, Düsseldorf