LeserInnenbriefe
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Die Redaktion behält sich Abdruck und Kürzen von Leserbriefen vor. Die veröffentlichten Briefe geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

Eine couragierte Frau

betr.: „Die späte Ehre für Ida Jauch“, taz vom 27. 10. 15

Es war zwar eine späte Ehrung für eine ganz normale Berliner Bürgerin, die das Christentum wirklich gelebt und praktiziert hat, denn sie hat uneigennützig und mutig den damals noch jungen Hans Rosenthal vor den Nazis in ihrer Lichtenberger Laube versteckt. Doch diese kleine Feierstunde im alten Rias-Funkhaus, der auch ich als interessierter Rosenthal-Fan beiwohnen durfte, hat wieder einmal gezeigt, dass diese couragierte Frau namens Ida Jauch auch heute noch eine Vorbildfunktion hat, denn ihrem Beispiel sollten viele folgen, wenn es darum geht, Menschen zu helfen, die unverschuldet in Not geraten sind. Es ist wohl kein Zufall, dass gerade dieses Motto für die Hans-Rosenthal-Stiftung steht, die der unvergessene „Dalli, Dalli“-Showmaster noch selbst initiiert hat. THOMAS HENSCHKE, Berlin

Ruinen schaffen ohne Waffen

betr.: „Sorge um Schinkel-Kirche“, taz vom 24. 10. 15

Auch wenn jedes Bauprojekt, das nie fertig wird, das Zehnfache kostet, traditionsbewusst sind Berlins geniale Stadtplaner allemal: Ruinen schaffen ohne Waffen, wie in der guten alten DDR. Beispiel Friedrichswerdersche Kirche: Man baut auf beiden Seiten Wohntürme auf Kante und schon wird Schinkel langsam aber stetig zu Geröll. Die neue sanfte Art der Denkmalentsorgung der Freunde der Bauwirtschaft im herrschenden Parteienkartell. Und schließlich entsteht da dringend benötigter Wohnraum für die breite Masse, so zwischen 5.000 und 10.000 Euro pro Quadratmeter. Welcher Vorzeigeproletarier schlägt da nicht zu?

Und Ähnliches spielt sich Am Kupfergraben ab. Siemens darf dort einen Barockgarten zubetonieren und die zunächst nicht genehmigte Tiefgarage gibt es dazu. Wäre noch schöner, wenn Siemens-Manager und Lobbyisten sowie ihre erlauchten Gäste mit dem Pöbel im ÖPNV fahren müssten! Wurde alles schon von Wowereit durchgewinkt, der auch gleich die Einwände des Denkmalschutzes abgeknipst hat. MARTIN MAHADEVAN, Berlin

Es flossen oftmals Tränen

betr.: „Lehrerinnen bleiben oben ohne“, taz vom 28. 10. 15

Über die Entscheidung des Innensenators, ein Kopftuch für Lehrerinnen weiterhin nicht zu gestatten, bin ich sehr froh. Ich habe jahrzehntelang an Schulen in Nord-Neukölln unterrichtet und es zunehmend häufig erlebt, dass Mädchen nach der ersten Menstruation mit 11 oder 12 Jahren mit Kopftuch erschienen. Immer mit der Versicherung: „Das mach ich freiwillig!“ Im vertraulichen Gespräch flossen aber oftmals Tränen. Zweimal habe ich erfahren, dass Mädchen vom Vater der Kopf geschoren wurde.

In den achtziger Jahren war ein Kopftuch auch in Klassen mit überwiegend muslimischen Schülerinnen selten, kam aber ein Mädchen damit, trugen eine Woche später mindestens zwei andere ebenfalls eins. Das Argument gegenüber den Vätern: „Das trägt hier niemand“, war dann nämlich hinfällig. Heute tragen auch Mädchen, deren Mütter früher unbedeckt zur Schule gingen, ein Tuch und darunter eine wirklich einengende Kapuze. Fast alle leben in der zweiten oder dritten Generation in Berlin. Es ist mir unbegreiflich, wie in der taz seit Jahren die muslimische Kopfbedeckung zu hundert Prozent positiv gesehen wird. Frauen, die so etwas tragen, werden stets als Kämpferinnen gegen Diskriminierung und für Religionsfreiheit dargestellt. Die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Ich habe es immer für eine Errungenschaft gehalten, dass in Berliner Schulen die Religion möglichst keine Rolle spielt und Religionsunterricht nicht auf dem Zeugnis erscheint.

Glauben Sie mir: Ein muslimisches Mädchen, deren Lehrerin ein Kopftuch trägt, hat keine Chance, sich selber dagegen zu entscheiden. Und das finde ich schlimm! ULRIKE MALLWITZ, Berlin

Gesellschaftliche Realitäten

betr.: „Kiffen ist eine gesellschaftliche Realität“, taz.de vom

Volltrunken Auto fahren ist auch eine gesellschaftliche Realität, ebenso wie Ladendiebstahl, Betrug usw. Nur weil etwas eine gesellschaftliche Realität ist, muss man es nicht gleich legalisieren. Die große Frage im Hintergrund ist doch stets, „wem nützt es“. Den Kiffern nützt eine Cannabisfreigabe nichts, denn auf die eine oder andere Weise verursacht es Schäden. Doch großen Nutzen hätten diejenigen, die bisher illegal damit gehandelt haben. Sie könnten es dann zukünftig ganz offiziell. wxyz, taz.de