Kolumne Leuchten der Menschheit: Ein Gegenspieler unter Tage

Der Maulwurf. Auch Shakespeare, Marx und Primo Levi bewundern ihn. Eine Würdigung des schwarz bepelzten Tunnelbauers in Kunst und Literatur.

Maulwurf guckt aus der Erde.

Ist der nicht süüüß? Foto: dpa

Maulwürfe sind fröhliche Zeitgenossen. Sie lachen gern und sind für jeden Spaß zu haben. So sah zumindest der tschechische Zeichner Zdeněk Miler, Schöpfer der Figur des kleinen Maulwurfs, das Treiben der schwarz bepelzten Tunnelbauer.

Sein kindlicher Held hätte sich vermutlich prächtig verstanden mit den ebenso begeisterungsfähigen Minions, jenen dienstbaren gelben Wesen, die ebenso dem Zeichentrickfilmreich entstammen und selbst vorwiegend unterirdisch zum Einsatz kommen. Und wie man im Kinderbuch „Der Maulwurf Grabowski“ von Luis Murschetz erfährt, gehören zur bevorzugten Nahrung von Maulwürfen die teils schädlichen, teils nützlichen Engerlinge.

Doch das Interesse am Maulwurf in Film und Literatur geht über Lustiges und Lehrreiches für ein junges Publikum weit hinaus. Der Insektenfresser erfreut sich in der „Erwachsenenliteratur“ schon lange hoher Beliebtheit. In Shakespeares „Hamlet“ etwa spricht der titelgebende Prinz von Dänemark zum Geist seines Vaters die respektlosen Worte: „Brav, alter Maulwurf! Wühlst so hurtig fort? O trefflicher Minierer!“

Und Karl Marx bewunderte den Maulwurf als Metapher. Er verglich die Revolution mit einem alten Maulwurf, „der umsichtig unter der Erde das Terrain vorbereitet, um eines Tages ans Licht zu kommen und den Sieg zu erringen“. Shakespeare und Marx sind nur zwei Gewährsleute, die der italienische Autor Ernesto Ferrero in seinem Büchlein „Die Geschichte von Quirina, dem Maulwurf und einem Garten in den Bergen“ (Kunstmann, 2015) anführt. Primo Levi, erfährt man dort, hegte ebenfalls Sympathien für den Maulwurf und widmete ihm ein fiktives Interview.

Ferrero geht es neben der Vermittlung literarischer Haltungen zum Feind aller Gärtner vor allem um eine eigene Metapher. Die Geschichte, die er erzählt, handelt von der „weit über achtzig“ Jahre alten Witwe Quirina, die ihr zurückgezogenes Leben bestens eingerichtet hat. Haus und Garten sind bestellt, und niemand darf ihre Ordnung durcheinander bringen.

Plädoyer für das Akzeptieren

Genau das tut eines Tages ein Maulwurf, den Quirina dann mit verschiedensten Mitteln loszuwerden versucht. Ihr Schwiegersohn, ein Dozent für Literaturwissenschaften, wartet unterdessen mit Bildungsversatzstücken zur Würdigung des Maulwurfs auf. Was Quirina jedoch nicht von ihrem Vorhaben abhält.

Ausgerechnet, als der Schwiegersohn irgendwann Partei gegen das Tier ergreift – weil dieser auch Regenwürmer frisst und damit dem Erdreich schadet –, beginnt sich Quirina mit dem Maulwurf anzufreunden. Sie akzeptiert ihn schließlich als Gegenspieler. Das ist ein bisschen plüschig geschrieben, überzeugt aber als Plädoyer für das Akzeptieren von Ambivalenz und Differenz – und für die Notwendigkeit, jemanden zu haben, der einem widerspricht.

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Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

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