piwik no script img

Die WahrheitEndlich wieder zwölf

Kolumne
von Jenni Zylka

Manchmal kommt frau aus dem Kichern gar nicht mehr heraus. Etwa, wenn sie sich vorstellt, dass ein Damm an einer Aprikose knabbert.

M anchmal fühlt man sich selbst im hohen Alter noch wie zwölf. Zum Beispiel als eine Freundin mir neulich erzählte, dass die Gynäkologin ihr wegen lockerer Bänder (haben Frauen da unten im Süden, kicher) ein „elektrisches Gerät“ (kicher, kicher) verschrieben habe, das das „Powerhouse“ stimulieren solle (kicher, kicher, kicher) und dass sogar ein Fachmann vorbeikäme und ihr zeige, welche Knöpfe sie wo drücken müsse und wo genau es angelegt würde. Kicher! Die Witzseite der Quick ist ein Kloster gegen die schmierigen Sprüche, die urplötzlich aus mir herauspurzelten.

Kaum hatte ich mich wieder beruhigt, die Gliedmaßen zum Entspannen hinter das E-Schlagzeugset geklemmt und ein paar leichte Stonerrockbeats gedroschen, klingelte es an der Tür: Die Krankengymnastikpraxis unter mir beschwerte sich, weil die Patientinnen bei dem Geklopfe die Übungen nicht machen könnten. Schließlich müsse man Ruhe haben, wenn man daliege und sich auf die Vorstellung konzentriere, dass der Damm (kicher) an einer Aprikose knabbere (kicher, kicher).

Ich verschluckte mich fast daran, keine pubertäre Replik à la „Na dann hör ich besser auf, bevor der Damm den Aprikosenkern noch verschluckt!“ aus dem albernen Mundwerk dringen zu lassen, und versuchte, mein eigenes Powerhouse stattdessen weitgehend zu relaxen. Der Zug war aber längst abgefahren: Als ich den Fernseher anknipste, sah ich den beknackten Benny Hill, der mit heraushängender Zunge jungen Mädchen nachstellte, während das Saxophon „Yakety Yak“ spielte (kicher), und musste darüber giggeln wie ein schweinigeliger Onkel vom Land.

Zu Ablenkungszwecken besuchte ich die Bibliothek mit dem festen Vorsatz, ein paar Fachbücher zum Thema „Gender, Race and Class in Media“ auszuleihen. Aber ich blieb bei Pat Mallets „Kleinen Grünen Männchen“ hängen und kicherte so lange über die Grabscher vom Mars, bis man mich wegen Ruhestörung an die frische Luft setzte.

Ich überlegte kurz, mich ein bisschen in der Nähe von echten Zwölfjährigen herumzudrücken, um der Albernheit zumindest ein wenig Authentizität abzugewinnen, bekam aber einen Dämpfer, als ich ein Grüppchen Sechstklässler belauschte, die ernst und versiert über verschiedene Minecraft-Mods und andere langweilige Computerspiele fachsimpelten und dabei nicht ein einziges Mal kicherten.

Den Rest des Tages lag ich glucksend zu Hause herum, las die Rotfuchs-Comics auf den Ro-Ro-Ro-Taschenbüchern (kicher), dachte mir dämliche Reime über meine Arbeitgeber aus (kicher), schaute mir alte Bilder von Micha und Robbie, dem Schlagzeuger und dem Sänger der ersten deutschen Boygroup „The Teens“ an (schmacht) und wartete darauf, dass jemand mir etwas zu Essen zubereitete, mich an meine Hausaufgaben erinnerte und die Wäsche abnahm.

Zwölfjährige haben ja so viel Zeit. Sie reichte sogar noch, um auch aktuelle Micha- und Rob-bie-Bilder im Netz zu finden. Dabei wurde ich dann plötzlich wieder steinalt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!