Vertrauen made in GDR

Vortrag Das Erbe der DDR in Vietnam: abgerockt, aber höchst lebendig

Die Überlegenheit einer akademischen Einrichtung wie der American Academy in Berlin zeigt sich dann, wenn es völlig unverdächtig ist, dass ihr Fellow Christina Schwenkel in einem öffentlichen Vortrag in aller dankenswerten Deutlichkeit schildert, wie die Luftwaffe der USA in den 1960er und 1970er Jahren Vietnam in Grund und Boden bombte, insbesondere die Stadt Vinh.

Christina Schwenkel ist Professorin für Anthropologie an der Universität von Kalifornien in Riverside. Schwerpunkt ihrer Forschung ist Vietnam und seine Erinnerungskultur, auch im transnationalen Kontext. Zuletzt forschte sie eben in Vinh, wo sie auch zwei Jahre lang lebte. Vinh ist eine Industrie- und Hafenstadt, im damaligen Nord­viet­nam im Süden gelegen und von strategischer Bedeutung, da der Ho-Chi-Minh-Pfad hier seinen Ausgangspunkt hatte.

Nachdem die Amerikaner die Stadt in Schutt und Asche gelegt hatten, baute sie der sozialistische Bruderstaat DDR wieder auf. Man könnte also sagen, es blieb den armen Leuten auch gar nichts erspart. Aber ganz so stellt sich die Sache dann doch nicht dar, wie Schwenkel in ihrem Vortrag „Planning the Postwar City: East German Design and Its Afterlife in Vietnam“ erläuterte. Die DDR war neben der Sowjetunion einer der wenigen sozialistischen Staaten, die ihren Verpflichtungen beim Wiederaufbau Vietnams nachkamen. Das Bild des ostdeutschen Staats in Vinh ist das eines verlässlichen Ermöglichers und nicht eines repressiven Apparates, so die Anthropologin.

Trotzdem, eins zu eins ließ sich die sozialistische Moderne, mit der die rund 200 ostdeutschen Architekten, Ingenieure und Stadtplaner die Einwohner Vinhs beglücken wollten, nicht realisieren. Fehlender Wasserdruck, der die oberen Stockwerke der Wohnbauten zwar mit Bad und Küche, aber ohne Wasser ließ, sowie die Anforderungen des Feng Shui ließen schnell einen Wohnkomplexhybrid entstehen, der nach 1990 als Slum denunziert, aber wegen Protesten bis heute nicht abgerissen wurde. Stolze 67 Prozent der Erstbezieher wohnen noch immer in dem Komplex, den sie freilich massiv umgebaut haben. Die Einfamilienwohnungen wurden für die Großfamilie mit Nachbarwohnungen zusammengelegt, die Ausrichtung wurde aus Gründen des Feng Shui gedreht, die Balkone für mehr Wohnraum wurden zugemauert und die Spielplätze in hochproduktive Gemüsegärten verwandelt. Das DDR-Erbe zeigt sich abgerockt, aber höchst lebendig. Brigitte Werneburg