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Fliegen auf Chinesisch

Luftfahrt Airbus und Boeing bekommen Konkurrenz: Chinas Flugzeugbauer Comac präsentiert sein erstes Mittelstreckenflugzeug. Testflüge sollen 2016 stattfinden

aus Peking Felix Lee

Chinesen können Hochgeschwindigkeitszüge bauen, Superrechner entwickeln, und eine Mondlandung ist ihnen auch gelungen. Nur beim Bau von Passagierflugzeugen hat sich die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt bislang schwer getan.

Das ändert sich jetzt: China hat am Montag in Schanghai seinen ersten Mittelstreckenflieger aus rein chinesischer Fabrikation präsentiert. Die C919 des chinesischen Staatskonzerns Comac soll Firmenangaben zufolge eine Reichweite von bis zu 5.500 Kilometern haben. In der Maschine können bis zu 170 Passagiere Platz nehmen. Der erste Testflug findet laut Comac voraussichtlich Anfang 2016 statt. Einige chinesische Staatsmedien befürchten jedoch, der erste Flug könnte sich bis 2017 verschieben.

Comac-Chef Jin Zhuanglog sprach von einem „bedeutenden Meilenstein“ für Chinas Flugzeugindustrie. Comac hofft, ab 2018 mit der C919 in Serienproduktion zu gehen. Angeblich soll es bereits über 500 Bestellungen geben, die meisten von chinesischen Fluggesellschaften.

Technologisch und ökonomisch ist die Entwicklung von Mittelstrecken- und Großraumflugzeugen ein gewaltiges Unterfangen und durchaus vergleichbar mit einer Mondlandung. Bis zu 10 Milliarden Euro kostet die Entwicklung eines modernen Großraumflugzeugs. Private Geldgeber finden sich für so hohe Kosten nur selten. Nur mit staatlicher Hilfe großer Volkswirtschaften lassen sie sich stemmen.

Auch wenn es in der Geschichte der Luftfahrt immer wieder Versuche auch kleinerer Länder gab, eine eigene zivile Flugzeugindustrie aufzubauen, sind in den vergangenen knapp 20 Jahren nur zwei Erbauer von Mittelstrecken- und Großraumflugzeuge übrig geblieben: ­Boeing in den USA und EADS mit dem Airbus in der EU.

In Russland arbeiten die diversen russischen Flugzeugbauer zwar zusammen an neuen Typen, doch wegen der Wirtschaftskrise stockt die Entwicklung momentan. Brasilien mit dem Anbieter Embraer und Kanada mit Bombardier haben es immerhin geschafft, sich auf dem Markt für Regionaljets für bis zu 130 Passagiere zu behaupten.

Chinas Führung hatte sich vor zehn Jahren zum Ziel gesetzt, dem Duopol Airbus und Boeing mit eigenen Maschinen Konkurrenz zu machen. Anfangs wurden die Chinesen noch belächelt. Doch es gelang Peking, sowohl Airbus als auch Boeing zu verpflichten, mit Endmontagefabriken in der ostchinesischen Hafenstadt Tianjin eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Flugzeugbauer Comac einzugehen.

Chinas Vorteil: Der Eigenbedarf ist gigantisch

Daran verdient das Duopol kräftig mit. Die Volksrepublik ist seit Jahren der am schnellsten wachsende Markt der zivilen Flugzeugindustrie. Allein 2013 verkaufte Airbus an die Chinesen 133 Passagierflugzeuge, Boeing sogar 143. Über diese Kooperationen konnten die Chinesen aber zugleich viel technisches Wissen abgreifen. In weniger als nur einem Jahrzehnt hat Comac einen Entwicklungsschub vollzogen, für den Airbus und Boeing Jahrzehnte benötigten.

Doch nicht nur technisch versprechen die künftigen Comac-Maschinen, mit der Konkurrenz mithalten zu können. Preislich dürften sie sogar günstiger sein. Genaue Preise sind noch nicht bekannt. Der bereits von Comac entwickelte Regionaljet ARJ-21 liegt aber rund 10 Prozent unter dem Preis einer vergleichbaren Maschine von Bombardier.

Chinas Vorteil: Der Eigenbedarf ist gigantisch. Und so wie bei europäischen Fluggesellschaften Maschinen von Airbus dominieren und US-Fluggesellschaften Boeings bevorzugen, ist davon auszugehen, dass die chinesische Führung ihre Fluggesellschaften künftig dazu verpflichten wird, Comac-Maschinen abzunehmen. Die meisten von ihnen befinden sich ohnehin in staatlicher Hand.

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