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"Entlastende Lektüre"

Spannung Gute Krimis spiegeln die Gesellschaft, sagt Rainer Moritz, Mitplaner des Krimifestivals

Foto: Gunter Glücklich
Rainer Moritz

57, Literaturkritiker und Autor, seit 2005 Chef des Literaturhauses und Mitorganisator des Hamburger Krimifestivals.

taz: Herr Moritz, ist es nicht zynisch, dass Mord und Totschlag in dieser zunehmend brutaleren Welt immer noch als beste Unterhaltung gelten?

Rainer Moritz: Das ist in der Tat merkwürdig. Aber diese Lektüre hat wohl eine entlastende Funktion, weil dort – anders als im Alltag – oft noch das Gute siegt.

Gibt es auch in der Krimi-Landschaft Moden? Und welches wäre die diesjährige?

Von „diesjähriger Mode“ spreche ich bei Literatur grundsätzlich nicht. Denn der eine Autor braucht für einen Roman acht Jahre, ein anderer anderthalb. Wenn beide Bücher dann zufällig im selben Herbst erscheinen, versucht man einen Trend zu orten. Das funktioniert aber nicht. Ich würde allenfalls von Wellen sprechen.

Sie meinen den Skandinavien Krimi-Hype.

Zum Beispiel. Und in den 1980er-Jahren war es Italien, wozu Umberto Eco eine Menge beigetragen hatte. Dann gibt es Autoren-Duos, die kommen und gehen. Und natürlich diesen furchtbaren Trend zum Regionalkrimi.

Warum furchtbar?

Weil es oft wahnsinnig schlechte Bücher sind, denn so viele gut schreibende Autoren gibt es ja nicht. Aber offenbar sind sie immer noch beliebt: Viele Leser hegen das Bedürfnis, Orte, an denen sie leben, wiederzuerkennen.

Wieso haben Sie dann mit Jörg Maurer einen Regionalkrimi-Schreiber zum Krimifestival geladen?

Weil Maurer fast schon Kabarettist ist, was seine Krimis auch sprachlich hoch interessant macht.

Beim Festival werden die Autoren Poznanski und Strobel aus einem Krimi lesen, der mit Täuschungen und Verfolgungswahn spielt. Kommt bald der Altenheim-Krimi?

Der Altenheim-Krimi wird sicher kommen – schon aufgrund der demographischen Entwicklung. In guten Krimis sind Psychologisierungen ja kein Selbstzweck, sondern spiegeln gesellschaftliche Entwicklungen wider.

Trotzdem bietet das Festival auch einen ganz konservativen Agatha-Christie-Abend.

Ja, und das freut mich persönlich ganz besonders, denn ich hege eine Schwäche für den altmodischen Krimi. Wenn ich zur Entspannung etwas lesen will, ohne mich unter Niveau zu langweilen, greife ich zum guten alten Simenon. Interview: PS

Eröffnung des Hamburger Krimifestivals mit Hjorth & Rosenfeld: 19.30 Uhr, Kampnagel; Festival bis 7. 11. 2015; mehr Infos auf der Seite: www.krimifestival-hamburg.de

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