MINDERHEITSREGIERUNG IN POLEN – DIE RADIKALEN REIBEN SICH DIE HÄNDE : Querschläger in Aussicht
Polens Politik wird unberechenbar. Die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wird alleine regieren und sich dabei auf wechselnde Mehrheiten stützen. Mal wird diese Regierung an Vernunft und Verantwortungsgefühl appellieren – dann wird ihr die konservativ-liberale Bürgerplattform (PO) zur erforderlichen Mehrheit verhelfen. Mal wird sie Ängste vor Deutschland, Russland oder der EU schüren – dann werden die Abgeordneten der linkspopulistischen Bauernpartei Samoobrona und der rechtsradikalen Liga der polnischen Familien zustimmen.
Die von den Kaczyński-Zwillingen angekündigte „moralische Revolution“ beginnt mit dem fiesen Ausbooten des Koalitionspartners. Stil, Ton und Wortwahl der PiS-Verhandler zielten darauf ab, die Liberalen zur fast vollständigen Aufgabe ihres Programms zu zwingen. Zugleich boten sie ihnen ausgerechnet jene Ministerien an, die für die sozialutopischen Wahlgeschenke der PiS verantwortlich gewesen wären. Bei fast jeder PiS-Wohltat in Form von höheren Renten, billigeren Wohnungen und mehr Kindergeld hätte die PO Nein sagen und auf das knappe Budget und die Stabilitätskriterien für den Euro verweisen müssen. Was das für die Zukunft dieser Partei bedeutet hätte, ist klar: Die PO hätte zu den nächsten Wahlen gar nicht mehr antreten müssen. Das ihr von der PiS zugeschriebene Image einer herzlosen Eliten- und Unternehmerpartei kostete sie schon in diesen Wahlen den Sieg. Dass die PO nicht die Rolle des Sündenbocks für unerfüllbare Wahlversprechen der PiS spielen will, ist verständlich. Die Schuld für das Scheitern der Koalitionsverhandlungen trägt die PiS.
Für Polen und für das Ausland beginnt nun eine schwierige Zeit. Es ist durchaus möglich, dass sich die Minderheitsregierung ein, zwei Jahre oder sogar noch länger hält. Doch die PiS wird jedes Gesetz teuer erkaufen müssen. Die Linkspopulisten und Rechtsradikalen im polnischen Parlament reiben sich schon heute die Hände. Es gilt, sich also nicht nur auf Kapriolen in der polnischen Politik einzustellen, sondern auch auf einige gewaltige Querschläger. GABRIELE LESSER