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Von der Polizei gestürmt

Türkei Kurz vor der Wahl am Sonntag lässt Erdoğan ein kritisches Medienhaus besetzen

Gülen-Unterstützerinnen protestieren Foto: Murad Sezer/ reuters

von Jürgen Gottschlich

Als Teil einer neuerlichen Eskalation zwischen Regierung und Opposition, hat die Polizei am Mittwochmorgen ein Medienhaus in Istanbul gestürmt. In dem Medienzentrum sind zwei Fernsehsender und zwei Tageszeitungen untergebracht, die beide zur Koza-Ipek Holding gehören, einem Konzern, der dem Umfeld der islamischen Gülen Sekte zugerechnet wird. Bugün-TV und Kanaltürk, sowie die beiden Tageszeitungen Bugün und Millet gehören zu den wenigen in der Türkei noch verbliebene Oppositionsmedien, die Präsident Erdoğan und seine AKP scharf kritisieren. Mit der Besetzung durch die Polizei am gestrigen Mittwoch sind damit vier Tage vor den Parlamentswahlen am Sonntag die Möglichkeiten der Opposition sich Gehör zu verschaffen, weiter eingeschränkt worden.

Da bereits am Vortag die Muttergesellschaft des Medienhauses, die Koza-Ipek Holding in Ankara unter Zwangsverwaltung gestellt worden war, hatten die Redakteure bereits mit dem Erscheinen der Polizei gerechnet und sich in ihrem Haus im Istanbuler Stadtteil Sisli verbarrikadiert. Mit schwerem Gerät, darunter Räumpanzer und Wasserwerfer, verschaffte sich die Polizei am Mittwochmorgen Zugang zu dem Gebäude. Es kam zu tumultartigen Szenen im und vor dem Haus. Die Polizei verprügelte Journalisten und ging mit Tränengas und Wasserwerfern gegen Sympathisanten vor dem Gebäude vor. Selbst ein Abgeordneter der oppositionellen ultrarechten MHP, der zur Unterstützung der Redaktion herbeigeeilt war, wurde verprügelt.

Trotzdem schaffte es die Mannschaft von Bugün-TV bis zum frühen Nachmittag weiter zu senden. Im Laufe des Tages trafen immer mehr Unterstützer der Redaktion ein, darunter auch prominente Oppositionspolitiker.

Der Angriff auf Bugün und Kanaltürk ist Teil einer umfassenden Kampagne, die insbesondere Präsident Erdoğan gegen sämtliche oppositionelle Medien durchführen lässt. Erst vor wenigen Wochen war das Redaktionshaus der größten regierungskritischen Zeitung Hürriyet von einem von AKP–Abgeordneten dirigierten Mob angegriffen worden. Mit Mühe entkam die Redaktion größerem Unheil. Die linke Cumhuriyet war bereits mehrfach Ziel von Angriffen, ihr Chefredakteur Can Dündar ist mit einer Anklage konfrontiert, die für ihn zwei Mal lebenslängliches Gefängnis fordert. Auch die linke Tageszeitung Birgün wird mit einer Flut von Prozessen überzogen.

Erdoğans Hauptziel sind die große Gülen-Zeitung Zaman und Today´s Zaman

Bugün und Kanaltürk sind allerdings noch ein Sonderfall. Die Koza-Ipek Holding, zu dem die Mediensparte gehört, ist einer der größten börsennotierten Konzerne der Türkei, der sein Geld hauptsächlich mit Goldminen, Bergwerken und im Energiesektor verdient. Der Chef der Holding, Akin Ipek, war lange Jahre mit Erdoğan gut befreundet und selbst Profiteur einer früheren Enteignungskampagne kemalistischer Medien vor knapp 10 Jahren. Das änderte sich erst vor drei Jahren, als Erdoğan sich mit der Gülen-Gemeinde, zu der Akin Ipek gehört, völlig überwarf und Gülen Anhänger seitdem gnadenlos verfolgen lässt.

In diesem Krieg spielen Bugün und Kanaltürk eigentlich nur eine Nebenrolle, das Hauptziel sind die große Gülen-Zeitung Zaman und ihr englisch-sprachiger Ableger Today´s Zaman. Beide Medienhäuser rechnen täglich damit, auch vom Staat unter Zwangsverwaltung gestellt zu werden. Der Chefredakteur von Zaman, Ekren Dumanlı, trat vor wenigen Tagen von seinem Posten zurück, weil er befürchtet ermordet zu werden und der Chefredakteur von Today´s Zaman, Bülent Keneş, war erst kürzlich verhaftet worden, weil er angeblich mit einem Tweet Erdoğan beleidigt hatte.

Sollte die AKP am Sonntag eine absolute Mehrheit zurückgewinnen, dürfte das das Aus für sämtliche regierungskritische Medien bedeuten.

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