Berlinmusik

Von Orangen und Fabeln

So richtig viel in Erfahrung zu bringen ist ja nicht über Ant Orange. Immerhin: Der Produzent mit Wohnsitz in Berlin stammt aus Leeds und arbeitet auch als DJ. Neben einem CD-Album hat er bisher nur eine Handvoll digitale EPs veröffentlicht. Sein selbst betitelter Vinyl­einstand beim Berliner Label Karaoke Kalk ist daher die erste richtige Schallplatte, die von ihm erschienen ist.

Ant Orange scheint von Nervosität oder Hektik kaum affiziert zu sein. Seine Tracks wissen, wie House geht, lassen sich aber allenfalls auf tiefenentspannten Groove ein, selbst eine gerade Bassdrum scheint bei ihm mit den Fingern zu schnippen. Seine Musik setzt auf Downtempo und Jazz, das jedoch auf eine erfrischend puristische Art, ohne sich dem nächstbesten Klischee an den Hals zu werfen. Hinzu kommt ein bodenständiger Umgang mit Samples, vornehmlich Stimmenschnipseln, der an die klassische Herangehensweise von Neo-Sampling-Heroen wie Romare erinnert.

Selbst da, wo Ant Orange einen etwas aggressiver synkopierten Rhythmus wählt wie in „The Look“, ist das Ergebnis immer noch stark zurückgelehnt. Wer dazu tanzt, braucht keine Sorge zu haben, seinen Drink auf der Tanzfläche zu verschütten. Es ist ein Sound, der sich höchst positiv auf das limbische System auswirkt, ganz gleich, ob man sich bewegt oder nicht. Noch entspannter geht es auf dem Album „Apologues“ (Fabeln) des Wahlberliner Masa­yo­shi Fujita zu. Der Vibrafonist bevorzugt fließende rhythmische Muster und kombiniert seine hell tropfenden Schläge mit einem Hauch von rauer Oberfläche, legt Metallstücke oder Alufolie auf die Platten, um Reibung zu erzeugen.

Ihm zur Seite steht ein Kammerensemble mit Streichern, Bläsern und einem Akkordeon. Der Klang seiner zwischen Jazz, Minimal Music und Pop oszillierenden Stücke bekommt dadurch eine Vielzahl an dezent gewählten Farbschattierungen. Dass sie nicht allzu grell strahlen, liegt nicht nur an den trübe schimmernden Flächen, die Fujita am Vibrafon pinselt. Es ist auch dem leicht melancholischen Charakter seiner Kompositionen geschuldet, deren Melodien schon mal ins Elegische ausgreifen können. Das alles fügt Fujita mit sicherem Sinn für die Ökonomie des Pop zusammen. Er achtet darauf, nicht auszuufern, sondern schreibt Songs ohne Worte. Wenn auch nicht zum Tanzen.Tim Caspar Boehme

Ant Orange: „s/t“ (Karaoke Kalk)

Masayoshi Fujita: „Apologues“ (Erased Tapes)