An deutschen Schulen fehlen Hunderte Rektoren

FÜHRUNGSKRISE Sie sind die wichtigsten Manager von Schule, die Schulleiter. Nun gehen sie den Lehranstalten in Scharen verloren. Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen 1.200 Rektoren

BERLIN dapd | Den deutschen Schulen gehen die Rektoren aus. Hunderte Bildungseinrichtungen müssen derzeit ohne einen Schulleiter auskommen, wie eine bundesweite Umfrage der Nachrichtenagentur dapd ergab. Besonders gravierend ist die Situation in Nordrhein-Westfalen: Mit 1.200 offenen Posten fehlt dort etwa an jeder fünften Schule ein Rektor – teilweise seit Jahren. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte die Politik auf, zu handeln und die Bedingungen für Schulleiter zu verbessern.

Vom Rektorenmangel betroffen sind vor allem Grund- und Hauptschulen in den Flächenländern Deutschlands. So blieben im vergangenen Jahr in Niedersachsen 355 Leiterstellen an den etwa 3.000 allgemeinbildenden Schulen unbesetzt, davon 171 an Grundschulen. In Sachsen war mit 118 freien Stellen etwa in jeder elften Schule der Posten des Schulleiters vakant.

In Mecklenburg-Vorpommern wird an jeder sechsten staatlichen Schule ein neuer Leiter gesucht. Die Zahl offener Stellen liegt in Brandenburg bei 40 unter den 750 Schulen. In Thüringen fehlen 58 Schulleiter. Der Präsident des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, Klaus Wenzel, vermutete, dass von den 5.000 Schulen in Bayern 200 darauf warten, einen Schulleiter zu bekommen. Das Kultusministerium wies die Einschätzung als deutlich überhöht zurück.

Viel Arbeit, wenig Geld

Weniger Probleme, die vakanten Posten zu besetzten, haben vor allem die Stadtstaaten in Deutschland. In Hamburg sind aktuell sämtliche Stellen besetzt, lediglich bei den Stellvertretern gibt es 23 Vakanzen. In Berlin sind vergleichsweise wenig Schulleiterstellen unbesetzt: 33 Posten von mehr als 850 Stellen. „Die Situation an Berlins Schulen hat sich deutlich verbessert“, sagte der stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Dieter Haase. Verfahren zur Neubesetzung vakanter Stellen hätten sich früher in die Länge gezogen.

Die Vize-Bundesvorsitzende der GEW, Marianne Demmer, kritisierte im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd die Arbeitsbelastung für Schulleiter gerade an kleineren Grund- und Hauptschulen. Die Stellen dort seien für den anfallenden Arbeitsaufwand vergleichsweise schlecht bezahlt, sagte sie. Zudem habe sich in den vergangenen Jahren die Arbeit erheblich ausgeweitet. Zusätzlich zu ihren Aufgaben als Lehrkräfte mit einer relativ hohen Stundenzahl müssten die Leiter Verwaltungsaufgaben, Elterngespräche und Ähnliches erledigen, sagte Demmer.

„Es gibt einfach zu wenige Interessenten“, sagte Demmer. Zudem sei das Problem in den Flächenländern stark ausgeprägt, da es dort viele kleine Schulen gebe, die „auch unter der demografischen Entwicklung leiden und von Schließung bedroht sind“.

Nicht zum Nulltarif

Die Bezirksregierungen in Nordrhein-Westfalen bemühten sich, jede offene Schulleiterstelle so schnell wie möglich zu besetzen, sagte ein Sprecher des Schulministeriums. Zum Teil seien hinter den vakanten Stellen auch laufende Ausschreibungsverfahren verborgen. Die Landesregierung habe bereits reagiert und die Zeit für die Leitungsaufgaben erhöht. Im Ausgleich seien bisher 564 zusätzliche Lehrerstellen geschaffen worden.

Gewerkschaftsvize Demmer forderte die Politik dazu auf, die Schulleiterstellen an Grund- und Hauptschulen besser zu dotieren und die Arbeitsbelastungen zu reduzieren. Dafür setzt sich auch der FDP-Bildungsexperte Patrick Meinhardt ein. „Gute Schulleiter gibt es nicht zum Nulltarif“, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Es sei „eine Trendwende in der Leitung von Schulen“ notwendig. „Wir sollten bei entsprechender Größe die Verwaltungsleitung von der pädagogischen Leitung trennen“, betonte Meinhardt.

„Eine gute Bezahlung“ mache den Posten für Bewerber interessant, betonte der Berliner GEW-Vorsitzende Dieter Haase. Ab 2015 sollen nach seinen Worten neue Kriterien zur Besetzung offener Stellen eingeführt werden. „Schulleiter sollen nicht nur gut unterrichten können, sie müssen auch fit in Personalführung und Rechnungswesen sein“, erklärte der GEW-Vizechef. Direktoren seien im Grunde auch Manager.