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Berliner SzenenHunger

Call a Pizza

Alta! Voll super Trick, ey! Dis kannisch auch, ey!“

Samstagabend um 23 Uhr, draußen ist es 10 Grad Celsius. Ich habe Hunger. Frieda und Kathi sitzen schön im Warmen in einer Cocktailbar in der Sonntag­straße. Ich stehe da und friere. „Ich hol mir nur schnell was zu essen“, hab ich gesagt, meine Klamotten abgeworfen und bin vor die Tür gerannt. Da stehe ich nun. Im Pullover. Wie ein Waisenkind aus einem Roman von Charles Dickens. Gleich will mir jemand eine Motz abkaufen, denke ich.

Gleich nebenan sind ein Falafelladen und ein chinesisches Restaurant. Als ich auf die Straße trete, geht im Falafel­laden das Licht aus, beim Chinesen räumt jemand die Karte rein. „Küche zu!“, sagt die Kellnerin. „Wo krieg ich jetzt was zu essen?“, jammere ich. „‚Call a Pizza‘ ­gegenüber“, sagt die Kellnerin. Der Laden sieht schon von außen schmierig aus. Drinnen ist alles grau. Auch die Beleuchtung. Verkifft aussehende Jungs streiten sich hinter dem speckigen Tresen um das Trinkgeld. „Kein Wunder, wenner die langen Touren ablehnt und nur die kurzen nimmt, kriegt er mehr Trinkgeld, Alta! Super Trick, ey! Dis kannisch auch, ey!“

Die Karte klebt an der Wand. Bildchen wie aus dem Sticker­album ausgeschnitten zeigen gebräunte Teigböden mit neonroter Salami und quietsch­gelbem Käse oder Spinat in Hexengrün. „Iss niemals in einem Restaurant, wo die Speisekarte Fotos vom Essen zeigt“, schießt es mir durch den Kopf. Der schlecht gelaunte Kurier packt seine Box mit Pizzakartons voll. Einen davon öffnet er und piekt mit dem Finger in den Käse. „Ist bestimmt seine eigene Pizza“, denke ich, „GANZ BESTIMMT seine eigene!“ Ich will nicht mehr weitersuchen. Mir ist kalt. Ich habe Hunger. Mir ist egal, was sie mit meiner Pizza machen, bevor ich sie esse. Ich bestelle eine Spinat-Gorgonzola. Sie dauert vier Minuten und schmeckt ausgezeichnet. Lea Streisand

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