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„Eine Balance finden“

AUSLAND Der ehemalige TV-Journalist Gerd Ruge liest aus seinem Buch "Unterwegs"

Foto: Marc Müller/dpa
Gerd Ruge

87, ist ehemaliger TV-Journalist und langjähriger Auslandskorrespondent. Er ist Mitbegründer des ARD-Magazins „Weltspiegel“.

taz: Herr Ruge, als erster deutscher Moskau-Korrespondent haben Sie uns Russland erklärt. Wie sollte man sich heute dem Land gegenüber politisch verhalten?

Gerd Ruge: Man verhält sich Russland gegenüber schon sehr viel gescheiter als noch vor einem halben oder viertel Jahr – als man nahezu alles, was sich in Russland und am Rande des Nahen Ostens vollzog, gegen Russland auslegte. Viele Probleme des Westens hat Russland auch. Man darf das nicht gegen Russland ausspielen, sondern muss versuchen, das mit Russland gemeinsam auszuspielen.

Die Bremer Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck von den Grünen spricht sich für eine konfrontative Linie aus. Ist das der falsche Weg?

Nein, das kann auch immer ein Mittel sein und ist manchmal sogar notwendig. Man muss aber gleichzeitig immer die weitere Perspektive in gemeinsamen Gesprächen mitnehmen. Der Westen muss da eine Balance finden. Die Unterhändler haben aber schon einen Teil der Schärfe zurückgenommen, obwohl immer noch einige Forderungen bestehen, die für die Russen nicht annehmbar sind.

Sie bereisten Länder, die den Westdeutschen damals kaum bekannt waren. Fühlten Sie sich da nicht manchmal auch als Forschungsreisender?

Das kann man nicht auseinanderhalten und gilt besonders für kommunistische Staaten. Weder in der Sowjetunion noch in China konnte man als Journalist politische Gespräche mit Inländern führen. Man musste mit seinem Gesprächspartner also eine Art der Verständigung finden. Aber wenn beide wissen, worüber sie sprechen und auch mit großer Vorsicht darüber sprechen, dann kam schon etwas Gutes dabei heraus.

Heute sind wir einer Flut von Informationen ausgesetzt – nicht zuletzt wegen der neuen Medien. Wie wichtig sind Korrespondenten da noch?

Sie sind sehr wichtig. Viele der Informationen sind gesteuert, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Korrespondenten können nachprüfen und Gesprächspartner finden, die Hintergründe erklären – oft sind das Oppositionelle, die man sonst nicht sieht.

Interview: Laurin Meyer

Lesung „Unterwegs – Politische Erinnerungen“: 19 Uhr, Stadtwaage

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